Eilert Bartels zu Gast bei „Let me introduce…“
von Elinor Petzold über das Buch zum Projekt huMANNoid – Männer sind Menschen
Teil 1 des Interviews von Elinor Petzold mit Eiltert Bartels
Lies auch Teil 2 des Interviews ->
Lies auch Teil 3 des Interviews ->
Lies auch Teil 4 des Interviews ->
Herzlich Willkommen. Heute sind wir hier, um ein ganz besonderes Projekt vorzustellen. Mein verehrter Kollege, Sexualtherapeut Eilert Bartels hat sich auf eine Reise begeben, auf eine Herausforderung eingelassen und daraus ist ein Projekt entstanden, was auch mir persönlich am Herzen liegt.
Hallo Elinor, ich grüße dich.
Ich freue mich, dass du da bist. Ich habe mich lange auf das Gespräch gefreut. Sag mal, seit wann beschäftigst du dich mit deinem Projekt? Wir wollen jetzt alles wissen, es ist ja schon fast kurz vor der Geburt. Wie lange bist du dabei?
Das was da in dieses Projekt hineingeflossen ist, beschäftigt mich eigentlich schon mein ganzes Leben. Wir reden von dem Projekt huMANNoid – Männer sind Menschen.
Vor drei Jahren hab ich dann in den Medien von dem Nu-Project erfahren. Von zwei amerikanischen Fotografen, eine Frau und ein Mann, die durch Amerika und Europa gefahren sind und Frauen unbekleidet, ungeschminkt und ohne Photoshop in deren Wohnungen fotografiert haben.
Und ich fand diese Bilder total berührend, weil sie weibliche Menschen in ihrem ureigenen Umfeld fotografiert haben – in ihrer Nacktheit, in ihrer Verletzlichkeit. Und darum wirkten die Frauen auf mich sehr stark, sehr bejahend. Ich habe damals schon, als ich zum ersten Mal die Bilder vom Nu-Project sah, gedacht: „Sowas wünsche ich mir auch für Männer.“
Das war der erste Impuls und dann gärte das in mir. Danach gab es ein paar Ereignisse in der jüngsten Geschichte, die diesen Impuls noch einmal verstärkt haben. Da waren die Silvester-Ereignisse in Köln, die zwei Debatten auf den Plan gerufen haben. Die eine war eben die Migrationsdebatte, wo sehr viele unwürdige Zuschreibungen in Richtungen der Menschen, die als Flüchtlinge hier ankommen, passierten.
Und auf der anderen Seite eben etwas, das ich aus den 1970ern und 80ern schon kannte durch Geschlechterrollenzuschreibung, die, sehr zugespitzt formuliert, lauten: „Männer sind Täter, Frauen sind Opfer“.
Da wagst du dich auf ein Terrain, was gerade brühend heiß ist. Wie hast du dich getraut, oder hat es dich Überwindung gekostet?
Natürlich hat es mich Überwindung gekostet, aber ich dachte: „Wann, wenn nicht jetzt“. Es ist im Moment dringender denn je, dass wir einen Schritt zurücktreten. Weg von dem, was ich bereits in den 70ern und 80ern erlebt habe: diesen Geschlechterkrieg. Ich war damals Kind, ich war Jugendlicher. Das war keine leichte Zeit, um die eigene Identität als Mann zu finden. Ich habe mich sehr dazwischen zerrieben gefühlt, weil ich eben kein typischer Mann sein wollte.
Inwiefern?
In dieser Zeit entstanden so Botschaften wie: „jeder Mann ist ein potenzieller Vergewaltiger“. Volker Elis Pilgrim hat damals „der Untergang des Mannes“ geschrieben. Darin steht ein Satz, der hinterher in der Reihe rororo – Mann auf jeder ersten Buchseite stand: „Der Mann ist sozial und sexuell ein Idiot.“
Das kann ich nicht fassen. Das finde ich eigentlich ein Verbrechen gegen uns alle. Das ist es natürlich. Für mich war es damals zuerst einmal eine unglaublich schwierige Situation, meine eigene Identität als Mann zu finden. Ich habe damals dazu geneigt, sehr stark meine männlichen Anteile abzuspalten. Ich war einer der Männer, die sich auch ein Stück weit selbst bezichtigt haben und, ich muss heute sagen, wirklich fast schon in übergriffiger Art und Weise fürsorglich gegenüber Frauen wurden.
Du hast dich an den anderen Pol gerettet vor lauter Schwierigkeiten, dich als heranwachsender Mann zu positionieren.
Damals schon…
Hast du gesagt: „Ok, da ist es sicher, da ist es sozial kompatibel?“ Politisch korrekt, sozusagen?
Ja, genau.
Um den Faden nicht zu verlieren. In meinen 30ern, 40ern merkte ich, dass der Geschlechterkrieg friedlicher wurde. Die 90er und auch die 2000er Jahre konnten so zu einer Zeit werden, in der Frauen begannen, sich liebevoller und zugewandter mit selbst und der eigenen Sexualität auseinander zu setzen. Annie Sprinkle war für mich damals so die Figur, die ich als erste wahrgenommen habe. Ich fand das toll und habe mir auch schon damals gewünscht: Eigentlich müsste es das auch für Männer geben.
Kannst du das bitte ein Stück weiter erläutern. Ich weiß, dass du in einem anderen Interview erwähnt hast., dass Annie Sprinkle für dich eine inspirierende Person war und dass sie so gesehen eine Rolle bei deinen Entscheidungen gespielt hat.
Ja. Weil Annie Sprinkle und andere Frauen sich mit weiblicher Sexualität auf eine positive, zugewandte Art und Weise auseinandergesetzt hatten. Sie haben Pionierarbeit geleistet. Und aus meiner Sicht nicht nur für Frauen, sondern für Menschen insgesamt.
Denn ich halte es für ungeheuer wichtig, dass sich Menschen sich selbst positiv und liebevoll zuwenden und mit Interesse schauen können: „Was bin ich denn, was macht mich aus, was macht meine Sexualität aus?“ Wir hatten eine gute Entwicklung in den 90er und 00er Jahren. Und das, was sich in den letzten sieben, acht, neun Jahren wahrnehme ist, dass da plötzlich wieder Gräben geschlagen werden.
Das fing ganz banal an, dass plötzlich in einem Maße, wie ich das in den 80er und 90er Jahren nie erlebt habe, Unterschiede in der Sexualität von Männern und Frauen besonders betont wurden. Stichwort Erregungskurve von Mann und Frau.
Wo dann ganz viele Sextipps ins Feld gebracht wurden. „Wie muss man miteinander umgehen, damit es mit dem Sex klappt.“ Da wird jetzt erklärt, so funktioniert eine Frau und so funktioniert ein Mann. Und jetzt bekommst du eine Bedienungsanleitung für das fremde Wesen. Das hat schon ein Stück weit etwas Trennendes. Das waren so die Anfänge.
Und nach den Übergriffen an Silvester 2015, merkte ich: „Was sich bisher als Trennlinie angedeutet hat, das bricht jetzt richtig wie bei einem Erdbeben auseinander.“
Du beschreibst das fast schon so wie eine persönliche Traumatisierung. Du beschreibst es in einigen Texten von dir, als hättest du es rein körperlich auch gespürt.
Ja, richtig. Ich habe wirklich einen tiefen Stich wie mit einer dünnen Stricknadel in den Solarplexus hineingestochen gespürt. Ich hatte das Gefühl, das breitet sich in mir aus wie ein Bluterguss.
Was hast du befürchtet? Was war deine Wahrnehmung?
Dass wieder der Geschlechterkrieg losgeht, den ich als Kind schon erlebt habe. Ein Stück weit hat sich diese Befürchtung insofern auch bestätigt, weil wir z.B. eine recht einseitige Debatte über die Verschärfung des Sexualstrafrechtes hatten, die Frauen nur als Opfer, und Männer nur als Täter betrachtete. Wo plötzlich ein Grünen-Politiker aus Hamburg wieder diesen Satz sagte: „Jeder Mann ist ein potenzieller Vergewaltiger!“
Was ja stimmt!
Aber jede Frau ist auch eine potenzielle Vergewaltigerin! Wir haben zwei Hände, wir haben die ganze Palette von menschlichen Eigenschaften. Da sind eine Menge destruktive Eigenschaften dabei und die sind geschlechtsunabhängig. Aber in der öffentlichen Wahrnehmung reden wir fast ausschließlich über Männer als Problemfall.
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Eilert Bartels, Jahrgang 1968 lebt seit 29 Jahren in fester Partnerschaft mit seiner Frau Judika Bartels und ist Vater zweier Kinder. Er ist Mitgründer der Praxis “Beziehungsperspektive” in Berlin, wo er seit 2015 als Psychologischer Berater, Heilpraktiker für Psychotherapie und als Paar- und Sexualtherapeut gemeinsam mit Judika Konzepte für sexuelle Selbstbestimmung entwickelt und anbietet.
Die Beschäftigung mit Geschlechterrollen und männlicher Identität begleitet ihn fast sein ganzes Leben und führte Anfang 2017 zum Start des Projektes “huMANNoid – MÄnner sind Menschen.
Kontakt:
www.beziehungsperspektive.de
kontakt@beziehungsperspektive.de
www.humannoid.de
kontakt@humannoid.de
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