von Boris von Heesen| Heyne-Verlag
Dieses Buch polarisiert!
Der Autor Boris von Heesen hat mit diesem Buch sehr viel medialen Wirbel verursacht. Man muss sich nur einmal die Rezensionen bei Amazon anschauen. Auch die Reaktionen aus einem Teil der feministischen Presse sind interessant. Der Tenor ist: Wir haben es ja schon immer gewusst, dass Männlichkeit toxisch ist.
Ich muss gestehen, dass der Titel des Buches auch bei mir zunächst etwas angetriggert hat.
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Ich setze mich seit 2006 dafür ein, dass Männer aus dem alten patriarchalischen Männerbild heraus kommen und sich zu einem, wie ich es nenne, ganzheitlichen Mann entwickeln.
Der Titel “Was Männer kosten” klang für mich wie das Männerbashing, das auch in vielen feministischen Kreisen zu hören ist, wie: “Männer sind generell toxisch”.
Erst bei näherer Beschäftigung mit diesem Buch habe ich die Dimensionen verstanden, um die es hier geht.
Um was geht es in diesem Buch?
Nüchtern betrachtet ist es eine Auswertung verschiedener Statistiken.
Der Autor hat in verschiedenen Lebensbereichen unserer Gesellschaft recherchiert, welche Kosten durch männliches Verhalten entstehen. Er hat dann eine Gesamtsumme von ca. 63 Milliarden Euro ermittelt, die durch Männer verursacht werden, wobei die Kosten, die Frauen in den gleichen Bereichen verursachen, bereits herausgerechnet sind.
Die Lebensbereiche im Einzelnen sind:
- Kosten durch Gefängnisaufenthalte
- Kosten durch häusliche Gewalt
- Kosten durch Süchte (Drogen, Alkohol, Glückspiele, Tabakkonsum)
- Kosten durch Diebstähle
- Kosten durch Wirtschaftskriminalität
- Kosten durch ungesunde Ernährung
- Kosten in der Jugendhilfe
- Kosten durch Hooligans
- Kosten durch Verkehrsunfälle
- Kosten für Umwelt- und Klimaschutz
Meine Blase
Soweit die Fakten. Mein anfänglicher Trigger war: Jetzt geht es wieder darum, Männer schlecht zu machen, wieder darum, dass Männlichkeit mit toxischer Männlichkeit gleichgesetzt wird.
Glücklicherweise kenne ich den Autor persönlich und konnte mich telefonisch über das Buch bzw. den in meinen Augen reißerischen Titel austauschen. Er sagte mir, dass er den Titel bewusst so gewählt hat, weil er damit eine Diskussion anstoßen wollte.
Ich zitiere aus dem Buch:
Keine Frage, der Titel des Buches provoziert. Aber manchmal braucht es den Finger in der Wunde, um den Schmerz und die Notwendigkeit zum Handeln spürbar zu machen. Natürlich sind es nicht “die Männer”, die die Gesellschaft jedes Jahr mindestens 63 Milliarden Euro kosten. Es sind das Patriarchat und die aus ihm erwachsenen Rollenstereotype, die in ungesunde geschlechtsspezifische Verhalten münden.
Eigentlich müsste das Buch also heißen: Was das Patriarchat die Gesellschaft kostest.
Mir wurde durch meinen eigenen Trigger klar, dass mein Erleben von Männlichkeit dadurch getrübt wird, dass ich in meinem Social Media Umfeld sehr viele Männer sehe, die schon weit auf ihrem Weg zu einer ganzheitlichen Männlichkeit und einem bewussten Verhalten als Mann gekommen sind. Viele davon bieten mittlerweile Coachings, Seminare und Workshops für Männer an. Unbewusst ist bei mir da wohl der Eindruck entstanden, dass eine ganzheitliche Männerarbeit gar nicht mehr so dringend und notwendig ist.
Mir ist durch die Konfrontation mit dem Buch klar geworden, dass ich da wohl in einer Blase lebe und dass die Realität da draußen eine andere ist.
Es ist noch viel zu tun als Männerarbeiter, um der Mehrheit der Männer aus den Einschränkungen des Patriarchats herauszuhelfen. Mir persönlich ist diese Erkenntnis ein erneuter Ansporn, meine Mission zu leben, Männer auf dem Weg zu einer ganzheitlichen Männlichkeit zu unterstützen.
Nicht die Männer sind toxisch, das Patriarchat ist es.
Im zweiten Teil des Buches beschreibt von Heesen die nicht-messbaren negativen Auswirkungen des Patriarchats, auf den ich hier nicht näher eingehen möchte.
Wichtiger erscheint mir eine andere Erkenntnis, die das Buch vermittelt:
Männer können sich toxisch verhalten, genauso wie Frauen es können. Menschen können sich toxisch benehmen. Das ist ganz klar zu beobachten, wenn man sich den heutigen Zustand der Welt anschaut. Laut von Heesen ist das Patriarchat einer der Hauptgründe dafür. Es lehrt Männer und Jungs, ihre weibliche Seite zu unterdrücken und nur ihre männliche Seite zu entwickeln. Dies wiederum führt dazu, dass bei vielen Männern Empathie und der Sinn für das übergeordnete Gemeinwohl fehlen.
Letztlich leiden nicht nur Männer unter dem Patriarchat und es nutz nur einer kleinen männlichen Elite. Unzählige Männer sind in Kriegen verheizt worden oder sollten ihren Lebenssinn darin sehen, einer ungeliebten Arbeit nachzugehen, um dem männlichen Ideal des Versorgers der Familie gerecht zu werden. Ganz zu schweigen davon, dass vielen Männern der Zugang zu ihren eigenen Gefühlen verwehrt bleibt.
Wege aus dem Patriarchat
Im dritten und letzten Teil des Buches beschreibt Boris einige Wege aus der Krise.
- Die Aussöhnung mit bzw. die Annahme des Feminismus (Zumindest, wenn es sich um den nicht-männerfeindlichen Teil des Feminismus handelt. Anm. des Rezensenten)
- Stärkung der amtlichen Männerarbeit, Ansprechstellen für Männer, die Probleme haben
- Ein veränderter Blick des Mannes auf seine Rolle in der Familie
- Höheres Bewusstsein der Männer für ihre Gesundheit
- Veränderung durch eine bessere Bildungspolitik für Männer
- Veränderung im Umgang mit strukturellem Sexismus
- Das Überwinden von starren Stereotypen
- Gleichstellung fördern
Auf jeden dieser Wege im Einzelnen einzugehen würde den Rahmen dieser Rezension sprengen. Ich halte diese Wege auf jeden Fall für diskussionswürdig, auch wenn ich nicht mit allen hundertprozentig übereinstimme.
Fazit
Wer dieses Buch als männerfeindlich bezeichnet, hat die Intension des Autors nicht verstanden. Es geht dem Autor nicht darum, Männer generell als toxisch darzustellen. Mit Sicherheit haben auch Frauen zu dem heutigen Zustand beigetragen. Letztlich kann unsere Welt nur gerettet werden, wenn sich Frauen und Männer weiterentwickeln und sich mit gegenseitigem Respekt und auf Augenhöhe begegnen können.
Allerdings kann ich auch verstehen, dass viele Männer, die noch stark in den Strukturen des Patriarchats verhaftet sind, sich mit dem Inhalt schwer tun und auf vielfältige Arten angetriggert werden. Aber der Weg zu einer ganzheitlichen Männlichkeit ist kein Zuckerschlecken und es tut immer weh, sich seinen Schatten zu stellen.
Lesenswert ist das Buch auf jeden Fall und ich glaube, dass Boris von Heesen einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung von Männern und zur Aussöhnung zwischen den Geschlechtern geleistet hat. Ich wünsche uns allen, dass viele Menschen das genauso sehen.
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Bleibt noch zusagen, dass die Mainzer MännerInitiative (MMI), der ich ehrenamtlich angehöre, am 19.11.2022 anlässlich des Internationalen Männertags eine Online-Veranstaltung mit Boris von Heesen durchführt. Der Autor wird dort über die im Buch beschriebenen Wege aus dem Patriarchat referieren und anschließend den Teilnehmern Rede und Antwort stehen.
Wenn du Interesse hast, dann melde dich auf folgender Seite an.
https://maennertag.mmi-mainz.de/
Über den Autor:
Boris von Heesen (*1969) ist Wirtschaftswissenschafter mit ersten beruflichen Stationen bei der Diakonie in Bayern und der Drogenhilfe in Frankfurt am Main. Er ist Gründer eines der ersten deutschen Online-Marktforschungsinstitute. Heute arbeitet er als Männerberater und geschäftsführender Vorstand eines Jugendhilfeträgers. Seit vielen Jahren beschäftigt er sich als Autor und Referent mit dem Thema kritische Männlichkeit und veröffentlichte bereits zwei erfolgreiche Bücher zum Thema.
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