Leistungsdruck, ein Begriff, der in unserer modernen Gesellschaft immer öfter zu hören ist. Vereinfacht gesagt, geht es um den psychischen Druck, der in einem Menschen entsteht, wenn eine bestimmte Leistung von ihm gefordert wird.
Eine Wortschöpfung, die ihren Ursprung wahrscheinlich aus den Bereichen Sport, Schule und Beruf hat. Doch seit einigen Jahren wird dieses Wort auch immer wieder in Verbindung mit Sexualität genannt. Wie soll das zusammen passen? Leistung und Sex, Sex und Leistung? Das Eine hat mit dem Anderen doch genauso wenig gemeinsam, wie ein Kamel mit den Alpen. Sollte man meinen. Doch die Zeiten haben sich geändert.
Die Entstehung des Leistungsdruckgedankens
Ein „richtiger“ Mann zu sein, ist in unserer Gesellschaft mehr als je zuvor eine äußerst schwierigeund oftmals gefährliche Gratwanderung. Der kleinste Fehler genügt und man wird vom Mann zum „Mädchen“. Die Gefahr, nicht für einen Mann gehalten zu werden, lauert überall und versetzt dieMänner in einen Zustand ständiger Alarmbereitschaft.
Das neue Männerideal ist nicht mehr ganz so grobschlächtig wie das alte, aber noch immer stehen Eigenschaften wie stark und erfolgreich oder selbstbewusst und unabhängig bei der Definition von Männlichkeit im Vordergrund. Dieses Bild, an dem sich Väter und Mütter bei der Erziehung ihrer Söhne orientieren, wird uns Tag für Tag über die Medien präsentiert. Ein Junge, der es in seinem späteren Leben zu etwas bringen will, muss schon im Kindes- und Jugendalter zeigen, was in ihm steckt.
Im Bezug auf Sexualität, sieht das Bild nicht viel anders aus. Auch wenn Sex überhaupt nichts mitLeistung zu tun, meinen immer mehr Männer, dass Sex nur dann „richtiger“ und „guter“ Sex ist, wenn dabei eine gewisse Leistung erbracht wird. Das wird uns Männern über die Medien ständig suggeriert. Größe und Härte des Geschlechts, sind ebenso „wichtige“ Kriterien für die Leistungsfähigkeit des Mannes, wie Durchhaltevermögen, Standhaftigkeit, Erfolgsbilanz hinsichtlich produzierter weiblicher Orgasmen, Beweglichkeit, Geschicklichkeit, etc. Wer in diesen Punkten mit den gutgebauten Pornokönigen nicht mithalten kann, sollte sich am besten irgendwo verstecken.
Doch woher kommt diese Meinung?
Vor 100 Jahren hat es vermutlich noch keinen einzigen Mann gestört, wenn er nach zwei Minuten zum Orgasmus kam. Sex als Ausdruck von Liebe und Zuneigung zwischen zwei Menschen, ohne das Kinder geplant waren, gab es natürlich schon lange, aber das Attribut „Leistung“ kam erst später hinzu. Ein schleichender Prozess, der mit den ersten Pornos begann und mit dem Einzug des Highspeed Internets, seinen Höhepunkt erreichthat.
Viele Pornoproduzenten haben hier ihre Chance erkannt und nutzen heute die zahllosen und freizugänglichen Portale, um mit ihren Harcore-Streifen ihre eigene Popularität zu steigern. „Einfache“Hardcore-Szenen reichen schon lange nicht mehr aus, die Konkurrenz ist nur einen Klick entfernt. In Zeiten des Perfektions- und Optimierungswahns will jeder jeden toppen. Da muss noch mehrgehen! Größere Schwänze, heißere Frauen, härtere Szenen, usw. Die Pornoindustrie setzt Maßstäbe, wo es keine Maßstäbe zu setzen gibt!! Den Wenigsten fällt auf, dass weder die weiblichen, noch die männlichen Darsteller in irgendeiner Form Lust oder Leidenschaft empfinden.
Leider ist das vielen Männern nicht bewußt, sie orientieren sich – vielleicht auch unbewußt – an Idealen, welche keine sind! Gerade junge und unerfahrene Männer entwickeln ein völlig verzerrtesBild von Sexualität und sind der festen Überzeugung, nur dann ein „perfekter“ Liebhaber zu sein,wenn sie es ihren Idealen gleich tun. Dadurch, dass für die Meisten diese sogenannten „Maßstäbe“aber unerreichbar sind, setzten sie sich zunehmend unter Druck, was in der Folge zu Stress, Minderwertigkeitsgefühlen und Unzufriedenheit führt. Doch damit nicht genug, dieses ständige„sich Vergleichen“ mit Anderen, hat nicht nur negative Auswirkungen auf unser Selbstbild, sondern ist auch der Hauptauslöser für sexuelle Probleme. Körper und Psyche sind eng miteinanderverknüpft und beeinflussen sich gegenseitig.
Wie Körper und Psyche zusammenhängen
Gedanken haben direkte Auswirkungen auf unsere Emotionen, das dürfte Jedem bekannt sein. Sind unsere Gedanken negativ, wie z.B. die Angst zu versagen oder die Sorge, Erwartungen nichtzu erfüllen, dann empfinden wir auch negativ, was wiederrum Stress in uns auslöst. Dieses beklemmende Gefühl, das dabei in uns entsteht, wird durch die Ausschüttung von Hormonen, wie Adrenalin und Kortisol, verursacht. Diese Botenstoffe sorgen dafür, dass unser Körper in einen Ausnahmezustand versetzt wird und auf „Flucht“ bzw. „Kampf“ programmiert wird. Das hat unter anderem zur Folge, dass der Sexualtrieb komplett unterdrückt wird. Eine Erektion kann nicht mehrzustande kommen und auch vorzeitiger Samenerguss wird dadurch begünstigt.
Der hohe Adrenalin- und Kortisolspiegel, sorgt einerseits für eine erhöhte Muskelspannung im Körper und Beckenbodenbereich, was zu einer schlechteren Durchblutung führt und
Empfindungen im Genitalbereich minimiert, und andererseits senkt es den Serotoninspiegel im Blut- ein niedriger Serotoninspiegel wiederrum fördert den Ejakulationsreflex. Verantwortlich für diesenHormoncocktail ist das limbischen System, eine Funktionseinheit unseres Gehirns. Diese Hirnstruktur steuert zahlreiche überlebenswichtige Verhaltensweisen unseres Körpers, wie z.B. Instinkte und Triebe. Auch Emotionen werden hier verarbeitet.
Leistungsdruck und Sexualität
Man kann also behaupten, dass negative Emotionen und Stress allgemein, pures Gift für die Sexualität sind. Sobald man sich der hormonellen Auswirkungen auf den Körper, infolge von Leistungsdruck bewußt wird, fällt es einem deutlich leichter zu verstehen, wie und warum sexuelleProbleme entstehen können. Es ist ein kompliziertes Zusammenspiel von bewusstem Denken und unbewussten biochemischen Prozessen, welche die Störung verursachen können.
Neben dem Leistungsdruck, der durch vermeintliche sexuelle Unzulänglichkeit ausgelöst wird, gibt es natürlich auch Leistungsdruck, der durch den Beruf verursacht werden kann. In beiden Fällen sind die Auswirkungen die Gleichen: Stress!! Psychischer Stress ist so ziemlich das Ungesündeste, was wir uns und unserem Körper antun können.
Um diesem Leistungsdruck entgegenzuwirken, gibt es verschiedene Wege. Ich beschränke mich jetzt auf den Leistungsdruck, infolge von Versagensängsten im sexuellen Bereich.
Werde dir bewußt, was den Druck in dir auslöst
Im ersten Schritte empfehle ich, sich klar zu machen, was diesen Leistungsdruck auslöst. Sind es die Bilder und Szenen aus den Medien? Vergleiche ich mich mit Anderen? Sind es irgendwelcheBehauptungen und Erzählungen aus dem Freundeskreis? Was auch immer die Quelle ist, sollteman sich Eines immer bewußt machen: Realität und Wahrnehmung sind zwei Paar Stiefel.
Ich möchte dir dazu ein einfaches kleines Beispiel nennen: Du siehst dir einen Porno an, der Darsteller stößt und hämmert mit seiner Fleischwurst nun schon seit gut 30 Minuten in sein “Opfer”, ohne auch nur ansatzweise in die Nähe eines Orgasmus zu kommen. Du fragst dich, wie er denn nur so lange durchhalten kann und denkst dabei frustriert an die acht Minuten, die du es beimletzten Mal geschafft hast.
In deiner Wahrnehmung kann dieser Darsteller wohl stundenlang vögeln. Doch in der Realität,wurde der Film mehrmals geschnitten. Der Darsteller kann so viele Pausen einlegen wie er will, ohne dass du davon irgendwas mitbekommst. Auch betäubende Cremes sind in der Pornobrancheweit verbreitet. Das der Darsteller wahrscheinlich überhaupt nichts mehr spürt, davon sehen wir nichts. Überall wird getrickst, übertrieben und gemogelt.
Hinterfrage deine Ängste
Nicht alles was du siehst oder hörst muss zwangsläufig der Realität entsprechen. Es gibt nur eineWahrheit – deine Eigene! Hinterfrage deine Ängste und Befürchtungen. Alles was wir denken undmeinen, basiert auf Erfahrungen und Erlebnissen aus der Vergangenheit. Aber auch aufpersönlichenAnnahmen und Äußerungen von Anderen, und gerade diese Glaubensmuster, sind die Gefährlichsten.
Sie können in uns ein Gefühl der inneren Gewissheit auslösen, obwohl sie mit der Wahrheit reingar nichts zu tun haben müssen. Wir nehmen sie einfach so hin, weil wir sie bereits „verinnerlicht“haben, ohne dabei das Fundament, auf dem sie basieren, wirklich überprüft zu haben. In demMoment, in dem du einen Glaubenssatz ernsthaft in Frage stellst, bist du dir nicht mehr zu 100 Prozent sicher und die Gewissheit über dessen Wahrheitsgehalt beginnt zu bröckeln.
Spreche offen mit deiner Partnerin
Das beste Mittel, um sexuellen Leistungsdruck aufzulösen, ist ein offenes Gespräch mit derPartnerin. Auch wenn es fast zu einfach klingt, kann es doch Wunder wirken. Sobald du deine Ängste, Befürchtungen und Sorgen deiner Partnerin erzählst, nimmst du dir damit viel Last von denSchultern und das wirkt regelrecht befreiend. Das kann unter Umständen schon genügen, um beispielsweise Erektionsprobleme zu beheben. Abgesehen davon, kann es ja auch sein, dass deine Partnerin ganz andere Vorlieben hat, als jene, die dich so unter Druck setzen.
Stehe zu deinen eigenen Wünschen und Bedürfnissen
Du wirst mir recht geben, wenn ich sage, dass Sex nur dann Spaß macht, wenn beide ihngenießen können. Sobald einer zurückstecken muss, herrscht immer ein Ungleichgewicht undsomit auch nur halb so viel Spaß für beide. Viele Männer sind viel zu sehr damit beschäftigt, es ihrer Partnerin recht machen zu wollen.
Das bringt drei entscheidende Nachteile mit sich: Du kommst selbst nicht auf deine Kosten, weil du deine eigenen Wünsche und Bedürfnisse hintenanstellst, obwohl das völlig legitim ist. Zweitens setzt du dich dadurch zusätzlich unter Druck, da du dein „Erfolgserlebnis“ von der Befriedigung deiner Partnerin abhängig machst, und drittens kannst du den Sex nicht wirklich genießen, da du während dessen viel zu verkopft bist.
Dadurch, dass du zu deinen persönlichen Vorlieben stehst und sie auch einforderst – natürlich sollte es immer für beide passen – nimmst du dir den Druck, NUR ihre Bedürfnisse stillen zumüssen und bist auch nicht mehr in dem Zugzwang, eine bestimmte „Leistung“ zu erbringen. Unabhängig davon, stehen auch einige Frauen auf eine gesunde Portion männlicher Dominanz.
Fazit:
Leistungsdruck und sexuelle Probleme hängen stark miteinander zusammen. Der effektivste, nachhaltigste und gesündeste Weg, diese Probleme aus der Welt zu schaffen, ist meiner Meinungnach das aktive Auseinandersetzen mit der eigenen Persönlichkeit. Erforsche deine Denkmuster,ergründe deine wahren Bedürfnisse und konfrontiere dich mit deinen Ängsten.
Medikamente bekämpfen – wenn überhaupt – nur die Symptome! Abgesehen davon, müssen sie dauerhaft eingenommen werden und haben unzählige Nebenwirkungen. Wer das Gefühl hat, sexuell nicht in der Lage zu sein, wozu er gerne in der Lage wäre, dem möchte ich folgendes abschließend ans Herz legen: Sexualität ist weit mehr, als der eigentliche Akt und hat unendlichviele Facetten.
Es geht nicht darum, zu irgenwas in der Lage zu sein. Sondern es geht darum, herauszufinden, welche Spielarten beiden das größtmögliche Gefühl von Zuneigung, Lust undLeidenschaft vermittelt. Hier haben weder Zahlen, noch sonstige Maßeinheiten oder Leistungsgedanken irgendwas zu suchen – denn sie spielen keine Rolle!
Sex ist immer dann gut, wenn du und deine Partnerin ihn als gut empfinden!
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