Für den Suchbegriff „Glück“ bietet Google 78 Millionen Links und Amazon 200.000 Produkte. Kohorten von Trainern, Gurus und Ratgebern versprechen erfolgreiche Unterweisung beim Projekt Glückliches Leben. – In dieser überbordenden Fülle sticht eine Studie heraus, die für Männer besonders interessant ist.
Die Harvard Grant Study of Adult Development begleitet seit 1938 über 200 Männer in ihren Lebensläufen und untersucht, ob und welche Parameter sich herausschälen lassen, die ein glückliches Leben bedingen.
Das Ergebnis: Es gibt nicht die Top Ten der Glückskekse, die man einfach nur zu nehmen braucht und schon ist alles in Butter – aber es gibt mehr als deutliche Erkenntnisse, welche Richtungen zielführend sind und welche nicht. Die Basis für alles ist eindeutig:
Jungen, die in einer Beziehung zu Vater und Mutter aufwachsen, die von Warmherzigkeit geprägt ist, erleben als erwachsene Männer signifikant häufiger Gesundheit, Freude, Freunde, beruflichen Erfolg, Wohlstand, Gelassenheit und mentale Kompetenz als ihre Altersgenossen, die in einem kaltherzigen Elternhaus aufwachsen.
Erwachsene Männer schließlich tun gut daran, zu lieben und sich selbst zu lieben, d.h. konkret:
- Sich dem eigenen Herzen öffnen
- Sich wirklich akzeptieren
- Nähe zulassen und einfühlsame Beziehungen pflegen
- Sich in Vergebung üben
- Mehr geben als nehmen
- Impulskontrolle trainieren, also das richtige Maß finden und nicht nach sofortiger Triebbefriedigung streben
Die bewusste Verdrängung und Sublimierung kurzfristiger Wünsche, Triebe und Gefühle scheint eine sehr sinnvolle Strategie beim Versuch langfristig ein glückliches Leben zu führen. Dazu zwei Zitate des Studienleiters George E. Vaillant:
“Das kurze Glück ist das Geschwisterchen der Lust. Lust jedoch veranlasst zur Suche, ist selbstbezogen und birgt die Gefahr der Abhängigkeit. Aber jede Sucht ist immer ein Abgrund. Beim wahren Glück geht es um langfristiges Wohlbefinden, nicht um die Befriedigung von impulsiven Wünschen. Es stimmt also, wir sind für Abhängigkeiten anfälliger, wenn wir jünger sind. Insofern ist Reife wichtig.“ (sz-magazin.sueddeutsche.de)
„The healthiest, or ‚mature’, adaptations include altruism, humor, anticipation (looking ahead and planning for future discomfort), suppression (a conscious decision to postpone attention to an impulse or conflict, to be addressed in good time), and sublimation (finding outlets for feelings, like putting aggression into sport, or lust into courtship). (…) ‚Much of what is labeled mental illness,’ Vaillant writes, ‚simply reflects our unwise deployment of defense mechanisms. If we use defenses well, we are deemed mentally healthy, conscientious, funny, creative, and altruistic. If we use them badly, the psychiatrist diagnoses us ill, our neighbors label us unpleasant, and society brands us immoral.’” (www.theatlantic.com/magazine/archive/)
Wer als Mann ein glückliches Leben führen möchte, braucht also vom ersten Atemzug an weibliche und männliche Menschen um sich, die ihn als Kind mit aller Liebe und Warmherzigkeit annehmen und ihn lehren mit inneren und äußeren Konflikten später mal reif und erwachsen umzugehen.
Alles andere, was das Leben angenehm macht – Geld, Status, Einfluss usw. – kann dabei unterstützen, scheint aber nicht wirklich maßgebend für ein glückliches Leben. Was dagegen definitiv schadet, sind Kaltherzigkeit der Eltern, Erkrankung an Alkoholismus, Depression oder Psychosen sowie Tod eines Kindes/Ehepartners oder die Heirat mit dem falschen Menschen.
Sieht also doch nach einer Top-Ten-Liste aus?
Nur bedingt. Die Richtung scheint klar, aber die konkrete Ausgestaltung steckt voller Möglichkeiten, Fragen und Überraschungen: Was heißt es denn genau, sich selbst zu lieben? Wann ist der richtige Zeitpunkt Unrecht zu verzeihen, und wann würde man sich damit in die eigene Tasche lügen? Wie viel Altruismus ist gesund, und wann lässt man sich ausbeuten? An welcher Stelle ist es sinnvoller Triebe auszuleben statt zu transformieren? Und so weiter und so fort.
Diese und ähnliche Fragen bilden die Startlinie für sinnvolle und sinnstiftende Persönlichkeitsentwicklung für Männer.
Warum eigentlich nur für Männer, mögen Sie fragen. Weil die Grant-Studie nur Männer untersucht (hat)… Eine entsprechende Studie mit Frauen steht noch aus, und es wird spannend sein zu erfahren, wie viel Gemeinsamkeiten und wie viel Unterschiede es beim Thema Glückssuche zwischen den Geschlechtern gibt.
Also steht die Frage: Wie mache ich es?
Lieber Günter, Du könntest Dir zum Beispiel einen Kreis von Männern suchen, die mit ähnlichen Themen unterwegs sind. Eine regelmäßige Abendgruppe, eine Heldenreise, ein Seminar. Auch Übungen, die der eigenen Herzöffnung dienen, sind hilfreich (Meditation, Stille-Arbeit etc.), Tantra oder Beziehungsseminare. Erste gute Adressen: http://www.zipat.de, https://anandawave.de, http://www.ilka-stoedtner.de. In Berlin und Wien gibt es zudem eine große Szene der Sexpositivität (Schwelle, Sexolution, XPlore usw.) – in deren Umfeld findest Du spannende Menschen, die Unterstützung anbieten. Eine prima Buch für Inspirationen: https://www.luebbe.de/eichborn/buecher/politik-und-gesellschaft/maennerspagat/id_6919225 –– Viel Spaß und viel Erfolg 🙂 Harald
“Wer als Mann ein glückliches Leben führen möchte, braucht also vom ersten Atemzug an weibliche und männliche Menschen um sich, die ihn als Kind mit aller Liebe und Warmherzigkeit annehmen und ihn lehren mit inneren und äußeren Konflikten später mal reif und erwachsen umzugehen.”
Wow, diesen Satz muss Mann erst mal wirken lassen. Irgenwie haben wir es schon immer geahnt. Glücklicherweise gibt es heute viele Möglichkeiten für Männer, die das nicht hatten, diesen Mangel zu kompensieren.
Und ich spreche da aus eigener Erfahrung. 🙂