Männer und Orgasmus: 6 Tipps, um beim Sex mehr zu spüren

5 wertvolle Tipps von Michael Firnkes

Männer und Orgasmus
Foto: Unsplash | zac-durant

Schneller, höher weiter. Unzählige Ratgeber für Männer versprechen den ultimativen, multiplen Orgasmus. Du musst nur die richtige Technik anwenden, und schon bist du am Ziel? Bei mir hat all das nicht geholfen, ganz im Gegenteil. Mehr Spüren statt besser zu kommen: Ich zeige dir 6 Alternativen.

Tipp 1: Vergiss den Orgasmus

Natürlich nicht für immer, aber vielleicht für ein paar Tage oder gar Wochen. Erst seit ich mich von der Vorstellung lösen konnte, dass Sex oder Solo-Sex (mein schöneres Wort für „Selbstbefriedigung“ oder gar „Masturbation“) nur mit einem Orgasmus perfekt ist, erlebe ich meine Sexualität wieder deutlich intensiver. Vor allem habe ich gelernt, die Phase vor dem klassischen Orgasmus auszudehnen und viel bewusster wahrzunehmen.

Seither spüre ich kurz vor dem Orgasmus bzw. der Ejakulation manchmal Zustände bzw. Empfindungen, die für mich deutlich tiefer gehen, als der altbekannte Höhepunkt selbst. Das passiert vor allem, wenn ich für mich alleine Sex habe, aber auch zusammen mit meiner Partnerin. Und so geht es, vereinfacht erklärt:

  • Wenn ich mich dem „Point of no Return“ nähere, bei dem ein Zurück von der Ejakulation nicht mehr möglich ist, mache ich langsamer.
  • Ich atme durch und spüre hin, wo in meinem Körper ich die Lust bzw. die sexuelle Energie wahrnehmen kann. Erst danach stimuliere ich mich weiter bzw. setze das Liebesspiel fort.
  • Dieses Auf und Ab der Lust lässt sich ungewöhnlich lange genießen, bis zu einer Stunde und mehr.

Von Tipps wie dem Anspannen des PC-Muskel oder gar des Abklemmens bestimmter Punkte (Jen-Mo-Punkt oder auch Millionen-Dollar-Punkt) halte ich persönlich übrigens wenig. Sie alle haben mit Sex in Anspannung zu tun, das ist für viele Männer kontraproduktiv. Durch tantrische Praktiken lernte ich, beim Sex zu entspannen, statt anzuspannen. Das hat mir geholfen, mich und meine Lust viel intensiver zu spüren als früher.

Es geht also nicht um eine bestimmte Technik oder gar Sex als Leistungssport. Unter dem Stichwort „Slow Sex“ oder in meinem Beitrag Schöner selbst berühren für Männer findest du ein paar Übungen, wie ich dies erreicht habe. Manche nennen das Ganze „Edging“, doch auch dieses Konzept greift für mich zu kurz, weil es sich ausschließlich auf den Orgasmus und die Optimierung dessen konzentriert. Merke: Der Weg ist das Ziel, gerade beim Sex. Dann können aus wenigen Sekunden Minuten werden, später Stunden.

Tipp 2: Orgasmus ist nicht gleich Ejakulation

Mittlerweile ejakuliere ich nur noch sehr selten. Alleine durch das intensivere Genießen meiner Lust, die sich vor einem Orgasmus aufbaut, habe ich gelernt: Man(n) kann einen Orgasmus bekommen, ohne zu ejakulieren.

Ich sehe immer wieder in erstaunte Gesichter, wenn ich Männern (oder Frauen) davon erzähle. Lange Zeit ging man völlig selbstverständlich davon aus, dass beim Mann ausschließlich die Ejakulation das Orgasmus-Gefühl auslöst. Mittlerweile berichten zum Glück die ersten Mediziner und Sexualtherapeuten davon, dass der männliche Orgasmus nicht zwingend mit der Ejakulation verknüpft ist. Die Höhepunkte ohne zu ejakulieren, die ich erlebe, fühlen sich für mich anders an. Sie sind meist nicht so „spitz“, dafür halten sie deutlich länger an, sie berühren mich tiefer. Und ich kann sie tatsächlich mehrfach erleben.

Doch mach das jetzt bitte nicht zu deinem neuen Dogma, so wie du vorher dachtest, ein Orgasmus müsse unbedingt dazugehören. Genieße es, wenn du ejakulierst. Aber vielleicht versuchst du einmal, was es mit dir macht, wenn du stattdessen einfach nur das „davor“ genießt.

Tipp 3: Die Lust im Körper verteilen

Ein weiterer Nebeneffekt, wenn ich so vorgehe, wie eben beschrieben: Ich spüre meine Lust bzw. meine sexuelle Energie plötzlich in viel mehr Körperregionen. Früher nahm ich meine Lust hauptsächlich im Lingam (Wort aus dem Tantra für Penis) wahr. Also konzentrierte ich mich mit der Stimulation auch hauptsächlich darauf. Nun weiß ich, dass sich diese Lust oder das zugehörige Gefühl „ausdehnen“ kann. Nach oben, unten und zur Seite hin, etwa in Richtung Leiste, Bauch, die Herzregion und sogar darüber hinaus. Das war für mich zu Beginn ungewohnt, dann aber eine völlig neue und vor allem sehr erfüllende Erfahrung.

Gehe auch hier langsam vor, dann nimmst du am ehesten eine Veränderung vor. Das geht zu Beginn tatsächlich besser, wenn du alleine bist, also beim Solo-Sex. Nimm wahr, ob und was du um deinen Lingam/Penis herum wahrnimmst. Dann immer ein wenig weiter. Und noch ein wenig weiter. Irgendwann folgen deine Empfindungen deiner Aufmerksamkeit, mit der du den Rest deines Körpers wahrnimmst. Für einige wird die Lust so zu einer Art Welle, die sich durch den Körper bewegt.

Sei geduldig dabei, vor allem wird das nicht an jedem Tag und in jeder Verfassung klappen. Auch Stress oder Leistungsdruck verhindert, dass du neue Erfahrungen beim Hin spüren machst. Du kommst allein nicht voran? Dann verrate ich dir später mit Tipp 6, wie du dir beim „mehr Fühlen“ helfen lassen kannst.

Tipp 4: Por-No

Es ist vollkommen in Ordnung, wenn du Fantasien nutzt, um in Fahrt zu kommen – du musst dich dafür nicht schämen. Doch gerade bei Pornos solltest du vorsichtig sein. Es gibt Männer, bei denen die Empfindungen tatsächlich taub werden, durch zu viel Porno-Konsum. Sie stimulieren sich immer mehr, kommen nur durch immer neue und ggf. auch extremere Bilder scheinbar immer mehr in Wallung, doch tatsächlich nehmen sie ihren eigenen Körper irgendwann nur noch wenig oder gar nicht mehr wahr. Wie auf Autopilot quasi. Oder die Lust lässt mit der Zeit ganz nach, etwa beim Sex mit der Partnerin bzw. dem Partner, weil die äußeren Reize fehlen.

Ein Teufelskreis, der bis hin zur Sucht führen kann. Oder zu Erektionsstörungen und sonstigen sexuellen Problemen. Wenn du zu viel Pornos konsumierst, dann hilft nur der Verzicht für einige Zeit (oder gar komplett). Hol dir im Zweifelsfall Hilfe bei einem Sexualtherapeuten, wenn du das Problem nicht alleine in den Griff bekommst. Für alle weniger dramatischen Fälle oder falls die Bilder nur in deiner Fantasie existieren: Versuche einmal, was passiert, wenn du die Bilder im Kopf zumindest temporär weglässt. Du kannst sie nutzen, falls du sie brauchst, damit sich deine Lust entwickelt. Aber dann konzentriere dich einmal rein auf deine Körperempfindungen, und wohin sich diese entwickeln, ohne Fantasien. Mit der Zeit lernst du so, Fantasien nur noch dann zu nutzen, wenn sie tatsächlich hilfreich sind.

Tipp 5: Mach neue Erfahrungen

In Kursen zur achtsamen Sexualität und zu Tantra geht man ganz bewusst aus seiner Komfortzone. Das erhöht die (sexuelle) Energie ungemein. Zudem führt es zu neuen Körperempfindungen, deine Synapsen werden quasi neu trainiert. Je facettenreicher du dich und deine Sexualität wahrnimmst, statt immer nur einseitig und grob dein bestes Stück zu bearbeiten, umso erfüllender ist es für die meisten Männer. Sei kreativ, wenn es darum geht, neue Erfahrungen zu machen. Ein paar Beispiele, die du nach Belieben selbst erweitern kannst:

  • Lerne neue Dinge wie etwa Shibari (eine erotische Fesselkunst, auch als auch als Japan-Bondage bekannt) oder die Tantra Massage. Achte dabei auf seriöse und zertifizierte Anbieter. Alles, was deine Sinne auf achtsame und intensive Weise erweitert, hilft auch deinem Körper.
  • Übe dich generell in Achtsamkeit, dann wirst du (dich) mit der Zeit mehr spüren. Eine Variante, um bislang vernachlässigte Sinne zu schärfen: Konzentriere dich 15 Minuten oder eine Stunde lang ausschließlich auf einen Sinn, etwa während einer Wanderung oder auch beim Sex. Mal darauf, was du siehst, dann auf Hören, Riechen, Tasten, Schmecken. Du wirst erstaunt sein, was dir bislang entgeht.
  • Verweile beim Sex einfach einmal nur eine Weile in deiner Partnerin, statt das übliche „Stoßen“. Dein Penis muss dabei keineswegs voll erigiert sein oder die ganze Zeit über erigiert bleiben. Nimm das Auf und Ab deiner Lust wahr. Und was sich bei deinem Empfinden verändert, wie nah ihr euch vielleicht auch seid.

Sei – gerade bei der letzten Übung – nicht frustriert, wenn du zu Beginn nicht viel oder gar nichts spürst. Wir haben uns alle dahingehend konditioniert, nur noch bestimmte Reize wahrzunehmen oder uns ständig ablenken zu lassen. Doch diese Konditionierung lässt sich auch wieder abbauen, durch das bewusste Erleben neuer Erfahrungen.

Tipp 6: Lass dich berühren

Und damit meine ich, lass dich mal so richtig berühren, nicht nur an der Oberfläche. Sich berühren zu lassen hat zwei Voraussetzungen bzw. Ebenen:

  • Natürlich brauchst du ein Gegenüber, dass sich auf dich einlässt, und tatsächlich ein Interesse daran hat, in körperlichen aber auch seelischen Kontakt mit dir zu gehen.
  • Viel wichtiger jedoch: Kannst du dich berühren lassen? Oder blockierst du schnell, willst sofort zurück-berühren bzw. gelingt es dir, Empfindungen überhaupt zuzulassen? Und das für mehr als eine Minute?

Wenn du nur schwer genießen kannst: Willkommen im Club, es geht vielen Männern so. In meinem Blogbeitrag Wie kann ich Berührungen zulassen gehe ich näher auf die Ursachen und mögliche Lösungen ein. Auch hier gibt es professionelle Hilfe, etwa das sogenannte Berührungs-Coaching. Ein solches Coaching hilft dir dabei, dein Körpergefühl zu verbessern. Teils wirst du Wahrnehmungen empfinden, die du so bislang nicht kennst oder schon lange nicht mehr gespürt hast.

Du bekommst zudem Hinweise, wie du alleine Zuhause weiterüben kannst. Dann wird dein Empfinden nach und nach immer „fühliger“. Weitere Möglichkeiten sind zum Beispiel die Tantra Massage oder andere körperintensive Massage-Formen. Bei einer Tantra Massage muss keineswegs deine Lust im Vordergrund stehen, so wie es manche eher unseriöse Anbieter suggerieren. Du kannst sie gerade auch dazu nutzen, um neue Körpererfahrungen zu machen und dich als Mann neu zu finden. Wenn du ganz mutig bist, dann lass dich von einem Mann massieren, denn dann lässt du dich weniger von äußeren Faktoren ablenken (für den Fall als heterosexueller Mann). Achte so oder so auf seriöse Angebote, die dir empfohlen wurden, oder die entsprechend zertifiziert sind.

Alternativ dazu kannst du dich einem Körper- bzw. Sexualtherapeuten anvertrauen, zu dem du einen Zugang hast. Gerade wenn schwierige Erlebnisse in deinem Leben dazu geführt haben, dass du dich nur noch wenig spürst, wird es ohne externe Hilfe nur schwer gehen.

Diese Liste an Tipps ließe sich noch weiterführen, es ist nur ein Auszug der Möglichkeiten. Du hast Fragen zu den einzelnen Punkten? Wie sind deine Erfahrungen bzw. was hilft dir persönlich beim mehr Spüren?

Ich freue mich über deine Kommentare.

Über Michael Firnkes 1 Artikel
Michael Firnkes ist Buchautor, Blogger, Männer- und Sexual-Coach.

Er beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den Themen achtsame Sexualität, Slow Sex und Tantra für Männer.

Mehr darüber erfährst du in seinem Buch Weniger Porno, mehr fühlen, intensiver lieben.

Foto: „Alexandre Goebel“

5 Kommentare

  1. Hallo Michael,
    ich bin auf deinen Artikel gestoßen, weil ich beim Sexy mit meiner Freundin überhaupt nichts spüre. Das war zu meinen 20ern noch anders. Doch nach langer Abstinenz fühlt es sich noch nach drei Monaten fremd an. Darum darf ich mich in Geduld üben und hoffen, dass es sich wieder ändert und intensiver wird. Den medizinisch liegt nichts vor.

    Vielen Dank dir den Artikel.
    Viele Grüße
    Lars

    • @Robert:

      Für viele Männer ist es hilfreich, den PC-Muskel regelmäßig zu trainieren. Der klassische Ejakulations-Orgasmus kann sich dadurch intensiver anfühlen (so auch meine Erfahrung), andere berichten, dass sie dadurch “länger durchhalten”. Sprich die Ejakulation hinauszögern können.

      Ich meinte eher: Wenn ich kurz vor der Ejakulation den PC-Muskel stark anspanne, wie es viele Ratgeber erklären, dann ist das für mein Empfinden eher kontraproduktiv. Bzw. wie im Beitrag beschrieben, bei mir kamen die intensiveren und auch längeren Empfindungen erst dann, als ich beim Sex generell eher in die Entspannung ging, statt anzuspannen. Mir ist es dabei gelungen, auch ohne Einsatz des PC-Muskel mit der Zeit die Ejakulation vorher zu spüren und dann ggf. langsamer zu machen.

      Aber jedem das seine, jeder Mann bevorzugt und “braucht” hier etwas anderes, um intensiv aber auch anhaltend zu empfinden. Du kannst beides ausprobieren, was für dich besser klappt. Oder abwechseln.

    • Hallo Tom,

      Danke dir! Absolut. Ich bin immer wieder erstaunt, wie viele Männer, die zu mir kommen, fast exakt die gleichen Herausforderungen mit ihrer Sexualität haben. Diese Verunsicherung trifft also nicht nur hauptsächlich die Frauen, wie man manchmal denken mag. Vielleicht verstecken wir Männer unsere Unsicherheit nur besser.

      Wenn sich beide Seiten öffnen, mehr mit ihren Bedürfnissen, ihrem Körper aber auch mit gegenseitiger Achtung beschäftigen, dann bin ich zuversichtlich. Danke für die Möglichkeit, meine Gedanken hier zu teilen!

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