Ganz Mann sein

Häkel-Papi, Business-Leader, Naturbursche oder Dauerstudent – Mann, wo geht’s lang?

Foto: Pixabay | tpsdave

Martin S. steht auf dem Parkplatz.
Er packt seinen Rucksack in den Kofferraum. Dann dreht er sich um zu den 34 Männern, mit denen er vor drei Stunden noch matschverschmiert aus einer Schwitzhütte gekrochen ist. 60 Minuten in Hitze und  Dunkelheit. Er geht zu den anderen. Die Männer liegen sich in den Armen. Tauschen Nummern und Kontaktdaten aus. Sie sind sich einig: Die letzten 48 Stunden haben ihr Leben verändert. Sie haben sich Ängste, Sorgen und Verletzungen anvertraut, über die sie sonst nicht sprechen.

Sieben Jahre ist seine eigene Initiation her.
Der Ingenieur Martin S. war damals nach einem langen Auslandsaufenthalt zurück in der deutschen Hauptstadt. „Ich wollte mich beruflich niederlassen“, erinnert er sich, „und war auf der Suche nach Sinn in meinem Tun“. Der „Kreis der Männer“, so heißt der deutsche Zweig des internationalen Mankind Project (MKP), habe ihm damals den entscheidenden „Tritt ins Hinterteil“ verpasst. Heute hilft er selbst als Trainer Unternehmen, ihre Führungskräfte und Mitarbeiter zu befähigen, verantwortlich zu handeln. Die Männerarbeit ist noch immer sein Rettungsanker.Die Organisation sucht Wege aus der Identitätskrise und orientiert sich dabei an uralten Traditionen. „Früher halfen Rituale jungen Männern von einer Lebensphase in die andere“, erklärt MKP-Mann Martin S. Solche Initiationen gibt es heute nur noch bei Naturvölkern. Dort bereiten Brüder oder Onkels ihre Zöglinge aufs Erwachsensein vor. In unserer modernen Gesellschaft fehlt dieses Training. Dazu kommt, dass klassische Rollenbilder verwässern. Typisch maskuline Eigenschaften gibt es nicht mehr. Nicht nur Herbert Grönemeyer ist unsicher, wann ein Mann, ein Mann ist. „Vielen fehlt ein Plan, an dem sie ihr Leben ausrichten können“, sagt Martin.

Im New Warrior Training Adventure sollen Männer Antworten finden.
Das 1985 von zwei Psychologen und einem Ex-Marine in den USA entwickelte Konzept ist von Elementen der Archetypenlehre und Indianerbräuchen inspiriert. Getreu dem Motto „Zurück auf Anfang“ verbringen 35 Teilnehmer 48-Stunden fernab der Zivilisation, etwa im Wald. Unterstützt von 50 Ehrenamtlichen schauen sich die Herren der Schöpfung prägende Lebensereignisse in systemischer Aufstellung an oder schwitzen in selbstgebauten Hütten die Alltagssorgen raus. „Männer erkennen, wo sie im Leben stehen. Worauf sie stolz sein können. Was sie noch vorhaben“, sagt S., der seit sieben Jahren in der Männerarbeit aktiv ist.Ein Journalist erzählt auf der Internetseite der Organisation, was ihn dazu gebracht hat, mitzumachen: „Ich wollte Klarheit in meinem Leben, meine Rolle als Mann finden, der Liebe freien Lauf geben.“ Nun fühle er sich gehalten, könne, wenn es ihm schlecht gehe, jederzeit einen Mann anrufen. Das Training sei der Hammer gewesen, richtige Arbeit: „Ich durfte mein Leben anschauen.“Ein Student will die Brücke zu seiner Männlichkeit gefunden haben – „und zu meinem Vater“. Und er habe gelernt: „Alles, was ich fühle, ist okay.“ Ein Rechtsanwalt bedauert, früher sehr analytisch gelebt zu haben. „Männer waren auch immer Konkurrenz.“ Nun könne er Gefühle zeigen und „aus dem Herzen leben“.Rhythmisches Trommeln leitet die Internet-Filme mit den Teilnehmern der „Heldenreise“ ein. Ein mulmiges Gefühl kann Außenstehende da schon beschleichen. Doch  britische Sektenbeauftragte haben die Gruppierung 1990 geprüft und als unbedenklich eingestuft.

Seit dem ersten deutschen MKP-Training auf einem Militärgelände nahe Frankfurt sind zwanzig Jahre vergangen.
Inzwischen finden jährlich vier Trainings auf Bundesgebiet statt, zu denen sich immer mehr anmelden. Über 1000 Männer zwischen 18 und 82 haben die Initiation bereits durchlaufen. Weltweit wird von 80 000 Teilnehmern gesprochen. Diese könnten unterschiedlicher nicht sein. Anwälte, Fliesenleger, Fotografen und Krankenpfleger treffen aufeinander. Genauso wie Herzkranke und ehemalige Drogensüchtige. Eines haben alle gemeinsam: Sie sehnen sich nach einem bewussteren Leben.

„Mit Therapie hat das Mankind Project allerdings nichts zu tun“, stellt Ingenieur S. klar. Männer lernten lediglich, sich selbst zu reflektieren, um Gefühle, Wünsche und Schmerzen wahrnehmen und zulassen zu können.

Die Partnerinnen profitieren davon natürlich auch.
„Er ist jetzt weicher und liebevoller, ohne seine Mann-Qualitäten verloren zu haben“, berichtet eine Frau. „Er sorgt für mich, ohne mich klein zu machen.“ Dass solcherlei Lernprozess nicht unbedingt nach ein paar Tagen im Wald abgeschlossen ist, merken viele Männer. Jeder dritte Teilnehmer bleibt dem Kreis der Männer im Anschluss an die Initiation treu. Bundesweit finden 25 regelmäßige Gruppentreffen statt. Alle zwei bis drei Wochen sprechen die Männer über Erlebtes, um ihre Ziele nicht aus den Augen zu verlieren. Ähnlich der halbjährlichen Prophylaxe beim Zahnarzt.

Über Michael Sudahl 4 Artikel
Michael Sudahl ist gelernte Banker und Journalist. Er beschäftigt sich seit mehr als 20 Jahren mit Kommunikation und Wahrhaftigkeit.

Er berät Firmen und Organistionen in internen und externen Kommunikationsfragen, erstellt Magazin, schreibt Fachartikel und moderiert Prozesse rund um Strategie, öffentliche Wahrnehmung und Unternehmenskultur.

Außerdem arbeitet er als Bartmodel!

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