Archetypen und ihre Bedeutung für unsere Entwicklung | Teil 7 Der König

Erkenne und nutze deine Möglichkeiten.

Foto: KI

König

Spannungsfeld: Führung – Dienst

Essenzaspekt: Wert, Fülle

Die Aufgabe des Königs

Der König ist, wie alle Archetypen, eine Urkraft in jedem Mann. Er repräsentiert das Bild des reifen integrierten Mannes. Er schafft die Anwesenheit natürlicher Ordnung und strahlt diese aus. Er bringt Fruchtbarkeit, Segen, Wert und Fülle für sein Königreich. Er sorgt für die Seinen. Sein Handeln ist nicht egozentriert, sondern dient dem Wohl des Großen Ganzen. Diese Kraft sollte in allen Männern lebendig sein, ihr Handeln bestimmen und ist für unsere Welt im übertragenen Sinn zu verstehen. Das Königreich eines Mannes sollte in erster Linie die eigene Familie sein, kann aber auch beispielsweise das Unternehmen sein, das er führt oder in dem er als Angestellter arbeitet, mit einer politischen Position verbunden sein oder ein Verein, in dem er sich maßgeblich engagiert. Es geht also in hohem Maße auch um Verantwortung und Führung.

Wert und Fülle

Schauen wir auf den Essenzaspekt dieses Archetypen. Er besteht aus Wert und Fülle. Wert-Sein ist hier das Kernthema. Das ist deshalb sehr wichtig, weil fast alle Menschen in unserer Gesellschaft darauf konditioniert sind, sich nur dann wertvoll zu fühlen, wenn Sie Wert im materiellen oder ideellen Sinne haben. Es geht hier jedoch nicht um die materielle oder ideelle Ebene unseres Lebens, also um Wert haben, sondern um das, was wir aufgrund unserer Existenz sind, nämlich Wert. Dadurch, dass wir als Menschen hier auf der Erde leben, stellen wir bereits einen Wert dar, dem durch absolut nichts was wir tun etwas hinzugefügt werden kann; weder aus uns selbst heraus noch durch etwas Äußeres. Der Versuch etwas zu erreichen, was wir bereits sind, ist zum Scheitern verurteilt. Dieser Wert kann auch durch nichts reduziert oder beseitigt werden. Wir bringen ihn bei unserer Geburt mit. Das gilt es zu verinnerlichen und zu fühlen. Zur Erinnerung: Essenzaspekte sind Wirklichkeiten unserer Seele und somit ständig vorhanden. Oft haben Männer jedoch den Kontakt dazu verloren. Der König lebt sein Leben aus seinem inneren Wert-Sein heraus. Er macht sein Handeln nicht abhängig von äußeren Bedingungen und sein Wert-Fühlen ebenfalls nicht, da er mit seinem essentiellen Wert-Sein verbunden ist. Durch diese Verbindung sind andere Aspekte des archetypischen Königs wie Autorität, Führerschaft und Macht sowie Verantwortung und Dienst geerdet. Nur wenn die Autorität des Königs auf Wert-Sein gründet, können daraus wirkliche Verantwortung und wahrer Dienst entstehen.

Verantwortung, Führerschaft, Macht und Dienst

Führung fängt natürlich immer bei unserem eigenen Leben an. Solange wir keine Führung für unser eigenes Leben übernommen haben, können wir Andere auch nicht authentisch führen. Führung für dein Leben zu übernehmen heißt nichts anderes, als die einhundertprozentige Verantwortung dafür zu übernehmen. Hast Du das schon getan? Der König übernimmt für sein Ureigenes Verantwortung und Führung. Wahrer Dienst basiert auf Wert-Sein und erfolgt auf dem Hintergrund des Ureigenen. Der König dient mit, durch bzw. über sein Ureigenes dem Großen und Ganzen. Dadurch kann das persönliche Lebenshaus gebaut und geordnet werden. Das Lebenshaus ist das Bild für das Ureigene, für die persönliche Schöpfung. Es ist nicht das Haus gemeint, das ein Mann für seine Frau oder Familie baut. Es ist das Haus, die Hütte, der Palast im bildlichen Sinne als Ausdruck seiner Kraft, Leidenschaft, Liebe, Freiheit, Verantwortung und auch seiner Verletzlichkeit, seines Schicksals usw. Es ist der Ausdruck seiner ureigenen Wirklichkeit in diesem Leben. Das Ureigene führt einen Mann zur Verwirklichung und zu seinem Dienst am Ganzen. Es ist bedeutsam, sich bewusst zu machen, dass Führung genauso wichtig ist wie Dienst. Da der König sein Handeln nicht von äußeren Bedingungen abhängig macht, ist es für ihn von grosser Bedeutung, seine Abhängigkeiten zu erforschen und sich von unfrei machenden und schädlichen Abhängigkeiten zu lösen. Dies erfolgt im Projekt beim Archetyp Wilder Mann. Wenn der Mann mit seinem archetypischen Wert-Sein in Verbindung ist, erlebt er auch die Fülle ganz anders, denn innere Fülle ist etwas anderes, als materielle oder ideelle Fülle. Stell dir doch einmal die Frage, wie sich Wert in deinem eigenen Leben manifestiert.

 Was zeichnet den König sonst noch aus?

Er dient etwas Grösserem, er bringt Segen und Fülle für Andere. Er bringt Fruchtbarkeit und nährt dadurch das Leben. Der König ist der Archetyp der Manifestation, er ist somit schöpferisch tätig. Was im Inneren lebendig ist, manifestiert er im Aussen. Damit einher geht die Frage nach der Vision, also der Lebensaufgabe des Königs, die dem gereiften König bewusst ist und die er mit Leben füllt. Die Sonne steht übrigens seit alters her als Symbol für das Licht männlicher Bewusstheit.

Die archetypische Königsenergie übergibt uns als ihrem Diener in Menschengestalt, also dem sterblichen König, den Schlüssel zu Frieden, Gelassenheit und Ordnung. In vielen Mythologien auf der Erde finden wir diese Ordnung beschrieben. So bezeichnet der Hinduismus diese archetypische rechte Ordnung als „Dharma“, während die chinesische Tradition sie „Tao“ nennt und die Bezeichnung im alten Griechenland sowie im Christentum „Logos“ lautet. Letztendlich geht es hierbei immer um das ordnende, schöpferische und fruchtbringende Prinzip. Zu den Aufgaben des Königs zählt zuallererst das Vorleben dieser Prinzipien in seiner eigenen Lebensführung, also gemäß Dharma, Tao oder Logos zu leben. Tut er das, werden sein Volk und Königreich gedeihen, unterlässt er es, diesem ordnenden Prinzip zu folgen, werden Volk und Königreich in ihrer Gesamtheit nicht gedeihen. Letzteres ist das Resultat des weiter unten beschriebenen Schattenkönigs. In alten Überlieferungen finden wir dies als Beschreibungen eines verdorrten Landes und darbenden Volkes. Beispielsweise hat Nefer-Rohu1), ein Prophet des Altertums diesen Zustand für Ägypten vorhergesagt. In einem solchen Zustand ist das Königreich reif für den Aufstand. Dies entspricht der Situation, die wir heute in unserem Land vorfinden und hat ursächlich damit zu tun, dass Männer seit langem nicht mehr darin unterstützt werden, ihre Königsqualitäten zu entwickeln. Wahre positive Könige sind von den selbsternannten Eliten, bei denen es sich um Schattenkönige handelt, nicht erwünscht. Umso wichtiger ist Initiation in die männliche Kraft.

Als Beispiel für die archetypische rechte Ordnung seien hier die vier Tugenden des Tao aufgeführt, nach denen wir leben sollen:

  1. Ehrfurcht vor allem Leben
  2. Aufrichtigkeit
  3. Sanftmut
  4. Hilfsbereitschaft

Erst an zweiter Stelle setzt der König das ordnende Prinzip in der Welt durch. Die beschriebenen Funktionen der Königsenergie kann man, die weltliche Ebene betrachtend, in vielen Familien sehen: Ist der Vater unreif, schwach oder abwesend, ist die Königsenergie nicht ausreichend vorhanden. Oftmals herrschen dann Chaos und Disziplinlosigkeit.

Eng verbunden mit der ordnenden Energie des Königs sind Fruchtbarkeit und Segen. Fruchtbarkeit meint nicht nur die körperliche Ebene, auf der es um die Zeugung von Nachkommen geht, sondern bedeutet, dass der König durch sein Handeln dafür sorgt, dass es allem Leben in seinem Königreich gut geht. In vorpatriarchalischer Zeit galt unsere Mutter Erde als Urquell aller Fruchtbarkeit. Dies spiegelt sich auch in der Geschichte vom babylonischen Gott Marduk wider, der mit der Drachenfrau Tiamat die Kräfte des Chaos bekämpft, diese besiegt, vernichtet und dann seinen Thron besteigt, um die Welt zu erschaffen und zu ordnen. Tiamat ist in der Enuma Elish, dem sumerischen Schöpfungsepos, übrigens auch der Name unserer Mutter Erde. Das weist deutlich darauf hin, dass wahre Zeugungskraft in der Vereinigung des Weiblichen und des Männlichen liegt. Das gilt besonders für die materielle Ebene. Schauen wir auf die kulturelle Ebene, also die Bereiche Technologie, Beherrschung der Natur und Erschaffung von Zivilisation, stellen wir fest, dass zumindest seit Beginn des Patriarchats männliche Schöpferkräfte stärker sichtbar sind. Die Enuma Elish ist auch die Grundlage der Schöpfungs-Epen aller Religionen2).

Segen bringt der König im wahrsten Sinne des Wortes, indem er andere segnet. Segnen ist ein spiritueller Akt, der Auswirkungen auf die Psyche, den Körper und die Seele hat. So hungern heute beispielsweise junge Männer nach dem Segen älterer Männer und insbesondere des Vaters, was nichts anderes ist, als das Hungern nach der Königsenergie. Diese Energie bekommen sie jedoch meistens nicht, weil es nicht mehr viele positive Könige gibt. Segen heilt und macht ganz. Der König ist auch im übertragenen Sinn ein Segen für sein Volk und sein Königreich, indem er die archetypischen Qualitäten des Königs lebt.

Selbstverständlich stehen dem König alle Qualitäten der anderen Archetypen zur Verfügung, denn er braucht sie für sein Wirken in der Welt. Er hat das Mitgefühl des Heilers, die männliche Kraft des Vaters, die Freiheit, Risikobereitschaft und Wildheit des Wilden Mannes, den Willen und die Aggressivität des Kriegers, die Liebe und Freude des Liebhabers sowie Wissen, Wahrheit und Frieden der Mystikers zu seiner Verfügung. Daraus ergibt sich, dass ein positiver archetypischer König mit positiver Vaterenergie verbunden ist.

Der gereifte Mann muss sich unabhängig davon, dass ihm Ansehen, Macht und andere Königsqualitäten nur vorübergehend eigen sind, begreifen, dass er nur Diener eines überpersönlichen Ideals oder Willens ist. Veranschaulichen lässt sich dies an der Konstellation von Stern und Planet. Der König in Menschengestalt ist nicht der Fixstern, um den sich alles dreht, sondern der Planet, dessen Sache es ist, eine Kreisbahn in angemessener Entfernung um den Fixstern herum zu ziehen. Es geht also überhaupt nicht darum, der archetypische König zu sein, welcher in dem vorgenannten Bild der Fixstern ist. sich also mit ihm zu identifizieren, sondern mit dieser Energie in Kontakt zu stehen und sie zum Wohle aller zu nutzen. Psychologen sprechen hier von einer kognitiven Distanz. Dieser Grundsatz gilt für alle Archetypen. Beispiele für die Verkörperung positiver archetypischer Könige sind König Artus und König Aragorn aus „Herr der Ringe“.

Der Schattenkönig

Der Schattenkönig ist entweder dem Pol des Tyrannen oder dem des Schwächlings verfallen. Der Tyrann identifiziert sich mit dem archetypischen König während der Schwächling den Kontakt zum Archetyp des Königs völlig verloren hat.

Merkmale des Tyrannen sind beispielsweise Herrschsucht und Überfürsorge. Er verachtet Schwäche und stellt eigene Interessen in den Mittelpunkt seines Handelns. Der Tyrann traut niemandem, was ausgeprägte Kontrolle zur Folge hat. Üben wir übermäßige Kontrolle aus, leidet darunter jedoch die Lebensfreude. Missbrauch, körperliche Misshandlungen und seelische Grausamkeiten sind gängige Methoden für ihn im Umgang mit anderen. Finanzkrisen sind ebenfalls ein Produkt von Tyrannen. Menschen mit narzisstischen Persönlichkeitsstrukturen neigen leicht dazu, sich zum Tyrannen zu entwickeln. Der Tyrann befindet sich nicht im inneren Gleichgewicht und sein Königtum ist labil. Unter seinem Verhalten verbirgt sich das Gefühl der Schwäche, Verletzlichkeit und Wertlosigkeit.

Der Schwächling ist dadurch gekennzeichnet, dass es ihm an Gelassenheit, Zentriertheit und Selbstbewusstsein fehlt. Da er nicht mit dem archetypischen König verbunden ist, fehlen ihm all dessen Qualitäten und er bleibt im Jungenbewusstsein. Die Ursache für diese Entwicklung liegt in Missbrauch der darin besteht, dass sein Glanz und seine Grandiosität vom ersten Tag an attackiert wurden. Die Grandiosität spaltet sich dann ab und wird im Unterbewusstsein geparkt; er hat nie eigene Stärke entwickelt. Im Erwachsenenalter kann die Grandiosität aufgrund massiven Drucks seiner Umwelt jedoch hervorbrechen. Sie zeigt sich dann allerdings in einer unreifen und machtvollen Art. Ein Mann mit einer derartigen Persönlichkeitsstruktur kann sich beispielsweise nach einer Beförderung schlagartig in einen anderen Menschen verwandeln.

Beiden Ausprägungen des Schattenkönigs sind dadurch gekennzeichnet, dass sie mit negativer Vaterenergie, also dem Axtvater bzw. dem abwesenden oder schwachen Vater verbunden sind.

Abschließend sei noch daran erinnert, dass der Schlüssel für den Zugang zum Mann-Bewusstsein in der Demut liegt. Das hat nichts mit Demütigung oder Unterwürfigkeit zu tun, doch wir alle bedürfen der Demut. Diese hat zwei Seiten: Es geht um das Erkennen der eigenen Grenzen und darum, die Hilfe zu erhalten, die wir brauchen.

Dies ist der siebte und letzte Artikel meiner Archetypenreihe.

1) James B. Pritchard (Hrsg.): The Ancient Near East: An Anthology of Texts and Pictures, S. 254 – 257

2) Für mehr Informationen zu dem Thema sei das Buch “Aus der Dunkelheit ins Licht“ vom Tredition Verlag, 1. Ausgabe 2019, empfohlen.

Über Wilhelm Breßer 8 Artikel
Wilhelm Breßer, Jahrgang 1956, ist Gründer und Inhaber der Maheo-Männerakademie (www.maheo.de) sowie von Maheo – Institut für Ganzheitliches Leben (www.maheo.de) in Hennef.

Wilhelm lebt mit seiner Ehefrau und ihren Tieren (2 Pferde, 1 Kater) am Rande des Westerwaldes auf einem wunderschönen natureingebundenen Platz mit Selbstversorgergarten.

Heute arbeitet er als Mentor und Ganzheitlicher Berater für Menschen, vor allem für Männer. In der Männerarbeit ist er seit über 10 Jahren aktiv. Das Leben hat ihn auf teilweise verschlungenen Pfaden und über Krisen dahin geführt, dies heute zu machen, denn es ist das, was er als seine Berufung und seine Seelenaufgabe versteht, wonach sein Herz schreit. Wilhelm ist für seine Lebenskrisen dankbar, denn sonst wäre er heute nicht dort, wo er jetzt ist. Sie haben ihn unter anderem dahin geführt, seine männliche Identität und seine Vision zu finden und diese heute aus vollem Herzen zu leben.

Tätigkeitsschwerpunkte:
• Männerinitiationen
• Männergruppen
• Schwitzhüttenzeremonien für Männer und Frauen
• Medizinradarbeit

„Es ist mir ein Herzensanliegen, die seelisch/geistige Entwicklung von Männern zu fördern.“

Weitere Profile von mir im Internet:
YouTube-Kanal: Maheo-Männerakademie
XING-Profil >
XING Coaches-Profil

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*