Die Journalistin Marike Frick interviewt Elinor Petzold über die Folgen von Me-too-Debatte und darüber wie wir Beziehungen ins Gleichgewicht bringen können.
Frage: Du hast als Frau eine Praxis für Männer eröffnet. Das musst du mir erklären!
Elinor: Ich finde es so furchtbar, was gerade in Deutschland geschieht. Diese Fronten, die sich zwischen Männern und Frauen bilden. Mag es sich größenwahnsinnig anhören, aber ich will dazu beitragen, dass wir weniger GeschlechterkRampf haben.
Frage: Aber die „Me-too“-Debatte hat ja durchaus ihren Grund…
Elinor: Das, was daraus jetzt entwächst, ist nicht gesund. Das ist wie ein Pendel, das vom einen Extrem – Unterdrückung und Patriarchat – jetzt in die andere Richtung ausschlägt. Das hat etwas von Gegenwehr, und Gegenwehr kann nicht die Lösung sein, wenn wir miteinander leben möchten. Wo ist da die gesunde Balance?
Frage: Wie sieht aus deiner Sicht so eine gesunde Balance aus?
Elinor: Dass Männer und Frauen sich gegenseitig anerkennen, respektieren und unterstützen – ohne ständigen Kampf. Als Sexualberaterin, als Psychotherapeutin und Hypnosetherapeutin beobachte ich, dass Frauen einerseits ihre Rechte und Unabhängigkeit brauchen und sich mehr Respekt und Anerkennung wünschen, aber im Gegenzug nicht bereit sind, Respekt und Wertschätzung zu geben. Das schmerzt mich richtig.
Frage: Warum geht dir das so nahe?
Elinor: Ich finde, das hat sehr viel damit zu tun, wie Deutschland mit seiner eigenen Geschichte umgeht, und diese Geschichte betrifft mich auch: Ich bin ukrainisch-stämmige Jüdin. Ich beobachte, dass man in Deutschland zur Toleranz weich geprügelt wird – als Konsequenz aus der besonderen Geschichte. Dann heißt es: Vergiss die Unterschiede! Andere, Fremde, als genau gleich anzusehen, gilt als gut. Da macht ein ganzes Land sich klein.
Mich irritiert und nervt es, zu sehen, wie sich Deutschland gegenüber Flüchtlingen verhält. Wenn ich dieses Land als meinen Patienten betrachten würde, dann würde ich sofort sagen: Das ist nicht gesund! Der Patient wird nicht genesen, solange er sich duckt – egal wieviel „Schuld“ er auf sich bisher geladen hat. Das Land muss seinen Frieden mit der Geschichte schließen, um genesen und sich weiterentwickeln zu können. Männer und Frauen auch.
Frage: Eine heikle Debatte…
Elinor: Ja, ich habe auch erfahren, dass man mich absolut missversteht. Ich hatte zu diesem Thema mal etwas auf Facebook gepostet – und einige Leute haben mich zerfetzt. Die haben gesagt: „Du schüttest Wasser auf die rechte Mühle!“ Meine Güte, ich bin slawische Jüdin! Ich kann nicht rechts mitspielen. Ich kann nur sagen, wie ich es beobachte.
Frage: Und du kannst etwas verändern, indem du Männern hilfst?
Elinor: Ich wünsche mir, dass die Männer sich aus der Abhängigkeit von Sex und von den Frauen befreien. Nach meiner Beobachtung sind Männer durch und durch abhängig davon, wie der Sex mit Frauen ausfällt. Wie die Frau das annimmt oder wertschätzt. Das beeinflusst auch, wie sie in der Öffentlichkeit gesehen werden.
Dieser Druck lastet auf ihnen – offen oder stillschweigend. Mir ist klar, dass es im Gegensatz dazu steht, wie sich manche Frauen fühlen – ausgebeutet, siehe Me-too-Debatte. Aber es ist kein Widerspruch! Frauen sehnen sich nicht nach den „dominanten“, sondern nach starken Männern.
Frage: Bitte?! Männer sind die eigentlichen Opfer?
Elinor: Zumindest sind sie abhängiger und empfindlicher, als wir das öffentlich wahrnehmen. Wir, Menschen, suchen bewusst und unbewusst den Kontakt zueinander und die Anerkennung. Die Frauen wünschen sich Sicherheit und Bewunderung. Die Männer suchen tief im Inneren die Zuneigung der Frau.
Ich möchte sie darin unterstützen, ihren Wert wiederherzustellen, unabhängig davon, ob sie von einer Frau (sexuell) anerkannt werden oder nicht. Denn in Wirklichkeit suchen die meisten von ihnen in einer Beziehung die Bestätigung „Du bist richtig, du bist gewollt“.
Ich habe neulich das Programm einer Männerveranstaltung gesehen. Da sollten auch zwei Frauen über das Flirten referieren. Das hat mich wütend gemacht. Es geht um die Männerbewegung, die als Gegengewicht zu der Frauenbewegung schon seit Jahren im Raum steht: Die Männer vereinigen sich, weil sie mehr Halt brauchen.
Und dann kommt da sowas wie Flirt-Coaching! Für mich als Psychotherapeutin wirkt das so, als würde man den Männern sagen: „Ihr sexsüchtigen Idioten, ich zeige euch, wie ihr bei uns wirklich landen könnt!“ Selbst als Frau finde ich das beleidigend und erniedrigend.
Eine Entwürdigung der Männer.
Frage: Brauchen wir also eine Männerbewegung?
Elinor: Wir brauchen vor allem, dass beide Seiten aus sich heraus glücklich oder zumindest ausgeglichen sein können, bevor sie aufeinander zugehen, und nicht den anderen dafür brauchen. Sonst sind wir nicht frei. Keinen Kampf um die Gleichberechtigung, sondern Gleich-Wertschätzung und gegenseitigen Respekt – diese 5 Worte sind mein Aushängeschild geworden.
Frage: Was willst du erreichen für die, denen du hilfst?
Elinor: Ich merke, dass die Beziehung zwischen Mann und Frau viel friedvoller, unabhängiger und fruchtbarer sein könnte, wenn man echten Respekt zueinander spürt. Ich möchte bewirken, dass die Beziehungen gesünder werden und weniger psychisch kranke Kinder in die Gesellschaft gesetzt werden.
Nehmen wir mal ein konkretes Beispiel: Die Jungs, die in der Frauenbewegung groß geworden sind, haben ihre männlichen Qualitäten verneint. Sie haben gelernt: Als Mann darf ich nicht sein, weil ich dann Vergewaltiger bin. Und ich muss unbedingt den Frauen gefallen. Das ist keine Basis für ein Gleichgewicht – es ist eine erzwungene Unterwerfung. Sowas kann auf Dauer nur schief gehen!
Frage: Gibt es ein persönliches Erlebnis, das dich zu dieser Erkenntnis gebracht hat?
Elinor: Ich bin zum dritten Mal verheiratet und weiß, dass eine Trennung beiden Seiten den Boden unter den Füssen wegreißt. Auch mein Mann war schon in mehreren Ehen. Er wurde bis dato bei jeder Scheidung finanziell in die Knie gezwungen. Das ist doch Heuchelei!
Die Frauen sagen: „Ich bin unabhängig und feministisch und brauche nichts von dir.“ Und wenn es zu einer Scheidung kommt, dann wird der Mann auf das Übelste ausgenommen. Dabei gibt es Wege, Trennungen gesünder zu gestalten. Ehrlich wäre für mich, zu sagen: Unser Bündnis geht auseinander – ich bin unabhängig – du schuldest mir nichts, ich schulde dir nichts. Aber wenn es um Trennung geht, ist die groß proklamierte Unabhängigkeit der Frauen plötzlich dahin.
Frage: Was genau ist da in deinem Umfeld passiert?
Elinor: Auf einmal hatten die Männer keinen Zugriff mehr auf die Kinder. Das macht Kinder krank. Wenn die Frauen den Mann verteufeln und das Kind wächst in dem Bewusstsein auf: “Mein Vater ist ein Arschloch.“ Die Frau geht weiter durch das Leben in dem Bewusstsein: „Er hat mich im Stich gelassen.“
Der Mann bleibt weiterhin in dem Gefühl: „Keiner will mich.“ So wird keiner glücklich. Wie oft höre ich von Frauen, wenn es um Trennung geht: „Zeig es ihm!“ Es geht sofort in den Kampf, ohne jeglichen Versuch, überhaupt einen Weg zu finden. Auch in meiner Umgebung beobachte ich immer wieder: Frauen benutzen Kinder als Machtmittel – und die Männer sind darüber todtraurig.
Frage: Die Frauen üben Rache?
Elinor: Ja, aber das darf wiederum nicht laut ausgesprochen werden. Keine möchte es selbst zugeben. Rachegefühle sind ja nicht politisch korrekt. Dabei wäre das gut, wenn man so einen Satz sagen würde: „Wir spüren nach jahrhundertelanger Unterdrückung das Bedürfnis, uns zu rächen.“ Dann ist das ausgesprochen und die Gegenseite kann Stellung nehmen: „Ja, das war echt Mist.“ Dann sind wir gleich in einem Dialog!
Frage: Aber das machen die Frauen doch gerade! Die Me-too-Debatte ist schließlich ein Aufschrei nach Gerechtigkeit.
Elinor: Ja, das war ein Aufschrei. Aber das entartet ganz schnell in Beschuldigungen ohne Grund und Boden. Jetzt müsste der Schritt kommen: „Bis jetzt war es so – und jetzt stelle ich es mir SO vor. Lass uns herausfinden, wie wir gemeinsam in eine neue Richtung gehen können.“
Bei der Scheidung nutzt es nicht zu sagen: „Wir sind auseinander, du bist ein Schwein, du siehst die Kinder nicht mehr.“ Besser wäre: „Es ist schief gelaufen, ich lasse mich so nicht mehr behandeln und ich möchte mit dir ab jetzt nicht mehr leben. Aber als Eltern bleiben wir für immer verbunden. Deshalb stelle ich mir das folgendermaßen vor – im Sinne der Kinder.“
Das muss auf allen Ebenen passieren: Dass man zusammen herausfindet, wie ein gemeinsamer Weg aussehen kann. Ohne, dass eine Seite nur beschimpft wird und die Klappe zu halten hat. Wir müssen das Pendel endlich in die Mitte bringen!”
Frage: Mir ist keine andere Frau bekannt die sich in der Öffentlichkeit so zeigt…
Elinor: Ich war sehr berührt und stolz darauf, zu erfahren, dass mein Engagement und unser Austausch mit Chris Peherstorfer und den anderen gleichgesinnten Kollegen*innen maßgeblich dem Projekt TWOGETHER zugrunde liegt, das im Oktober 2019 in Wien stattfindet.
Das Team hinter dem Projekt verkörpert mit der Idee „Men for women, women for men“ geradezu meine Vision. Wir setzen mit TWOGETHER jetzt schon neue Maßstäbe für den Umgang der Geschlechter miteinander. Dafür bin ich sehr dankbar.
www.twogether.wien
elinor.elixir-med.de/gentlemen-only
Hallo,
in dem Text kommt nicht ganz raus, wer die Fragen stellte und wer antwortete und wer den Text aufgeschrieben hat.
Liebe Grüße
Niels
Danke Niels für diesen Hinweis. Es war in der Tat missverständlich formuliert. Jetzt ist es klar. LG Tom
Gleich zu Beginn, oben unter dem Titel steht “Die Journalistin Marike Frick im Gespräch mit Elinor Petzold”. Vielleicht sollten wir es tatsächlich jedes Mal andeuten (?) – nächstes Mal. Liebe Grüße, Elinor
Liebe Elinor, ich habe es gerade geändert. Schau dir noch mal den Artikel an. Jetzt sollte es klar sein, wer wen interviewt. 🙂
LG Tom