“Mein Vater war ein Arschloch, warum soll ich mich mit ihm aussöhnen?”
“Mein Vater hat sich nie um mich gekümmert, ich habe ihn aus meinem Leben ausgeblendet!”
“Ich habe ja versucht, mich mit meinem Vater auszusöhnen, aber er hat nicht darauf reagiert.”
“Warum soll ich mich mit dem gewalttätigen Proleten, der mein Vater war, aussöhnen, das bringt mir doch gar nichts.
“Von meinem Vater kann ich höchstens lernen, wie man es nicht machen soll.”
“Mein Vater ist schon verstorben, deshalb kann ich mich nicht mehr mit ihm aussöhnen.”
Diese und viele andere Aussagen habe ich in über 12 Jahren meiner Tätigkeit als Männer-Arbeiter von anderen Männern gehört.
Auch ich selbst habe als Jugendlicher und junger Erwachsener meinen Vater aus meinem Leben ausgeblendet und mir eingeredet, dass es für mich von Vorteil sei, keinen Vater zu haben.
“Ich habe keinen Vater, nur einen biologischen Erzeuger.” Das war mein Standardsatz, wenn ich auf meinen Vater angesprochen wurde.
Doch eines ist sicher:
Dein Vater hat dich und dein Selbstverständnis als Mann mehr geprägt, als dir womöglich lieb und bewusst ist.
Dem kannst du dich nicht entziehen. Auch nicht durch Ablehnung des Vaters. Im Gegenteil: Je mehr du ihn ablehnst, um so mehr wirst du mit ihm verstrickt sein.
Das raubt dir Energie und Lebenskraft, die du für andere Dinge in deinem Leben einsetzen könntest.
Bevor wir uns der Titelaussage: “Warum du dich mit deinem Vater aussöhnen solltest!” zuwenden, möchte ich zunächst auf Folgendes eingehen:
Warum vermeiden Männer die Aussöhnung mit dem Vater?
1) Sie haben Angst, sich dem alten Schmerz zu stellen
Die Aussöhnung mit dem eigenen Vater erscheint für einige Männer nicht erstrebenswert, weil sie befürchten, wieder den alten Schmerz zu spüren, den sie seit Jahren erfolgreich verdrängt haben.
Der Kontakt mit dem Vater war als Kind und Jugendlicher oft sehr schmerzhaft. Entweder hat der Junge unter körperlichen Züchtigungen gelitten und/oder auch seelische Verwundungen davon getragen. Vielleicht war der Vater nie für ihn da oder hat ihm nie Anerkennung gegeben, sondern ihm nur negative Botschaften, die sein Selbstwertgefühl zerstört haben, übermittelt.
Oft haben Männer diese unangenehmen Erfahrungen verdrängt oder bewusst ausgeblendet. Wenn sie sich jetzt dem Thema der Aussöhnung mit dem Vater stellen, dann kann dies nicht gelingen, ohne dass sie noch einmal (ein letztes Mal) mit diesen alten negativen Energien konfrontiert werden.
Diese unangenehmen Gefühle möchten viele Männer vermeiden.
Das ist einerseits verständlich, andererseits wird es nicht zum inneren Frieden mit dem Vater und mit sich selbst führen, weil diese unheilvollen Energien im Unterbewusstsein weiterhin vorhanden sind und dort ihr Unwesen treiben.
Verdrängung kann eine Zeit lang funktionieren, aber bei Krisen im Außen sind die alten Energien wieder mächtiger als je zuvor spürbar.
2) Sie glauben, der Vater müsse den ersten Schritt tun
Viele Männer verspüren einen Widerstand, sich mit ihrem Vater auszusöhnen. Sie glauben, der Vater müsse den 1. Schritt zur Versöhnung tun, weil er ja schließlich das Leid über den Sohn gebracht habe.
Der Vater war es schließlich, der ihnen Unrecht angetan hat und der Vater war es, der Unrecht begangen hat. Deshalb, so die Schlußfolgerung, müsse der Vater auf den Sohn zugehen und ihn quasi um Verzeihung bitten, damit das erlittene Leid gesühnt wird.
Diese Denkweise schadet dem Sohn, weil er zeitlebens in der Verstrickung mit dem Vater verharrt und den dadurch verursachten Einschränkungen unterworfen ist.
In den seltensten Fällen wird der Vater den ersten Schritt zur Versöhnung machen. Der Vater ist ein der Regel ein Mann, der unter seiner eigenen Geschichte und unter seinem eigenen Schicksal gelitten hat. Ein Mann, der nie die Chance hatte, sich seinen eigenen Themen zu stellen, geschweige denn, sie aufzulösen. Oft hat ihn die Scham über sein jämmerliches Sein und seine Handlungen dem Sohn gegenüber fest im Griff.
Die Aussöhnung mit dem Vater macht der Sohn allerdings immer nur für sich selbst, nicht für den Vater. Die Aussöhnung funktioniert auch, wenn der Vater schon verstorben ist oder wenn überhaupt kein Kontakt mehr vorhanden ist.
3) Sie glauben, dass das durch den Vater erlittene Unrecht im Nachhinein legitimieren würde
Manche Männer glauben, dass sie die Taten ihres Vaters im Nachhinein legitimieren und gut heißen, wenn sie sich mit ihm aussöhnen.
Die psychischen Schäden sind für den Sohn bewusst oder unbewusst spürbar. Er hegt einen Groll auf den Vater und fühlt sich ungerecht behandelt.
Am liebsten würden diese Männer den Vater in irgendeiner Form zur Rechenschaft ziehen. Das erlittene Unrecht soll gesühnt werden.
Ein solcher Mann lehnt die Aussöhnung ab, weil er glaubt, dass er dann niemals Gerechtigkeit erfahren und er damit quasi dem Vater das Gefühl geben würde, dass dessen dysfunktionales Verhalten in Ordnung gewesen wäre.
Diese Einstellung führt dazu, dass der Sohn das erlittene Unrecht und die dadurch erlangten Einschränkungen sein ganzes Leben mit sich herumschleppt und niemals sein volles Potiential ausschöpfen kann.
Allerdings ist der Sohn mit dieser Einstellung einem Irrglauben aufgesessen.
Das erlittene Unrecht bleibt Unrecht.
Die Aussöhnung mit dem Vater macht ein Mann immer nur für sich selbst. Damit er seinen inneren Frieden erlangen und die durch den nicht förderlichen Umgang mit dem Vater erhaltenen Einschränkungen aufheben kann.
Die Aussöhnung mit deinem Vater bedeutet Heilung für den Sohn.
Tom Süssmann
Doch zurück zur Titelaussage:
Warum du dich mit deinem Vater aussöhnen solltest!
Wie wir oben gesehen haben, sind die Gründe, die gegen eine Aussöhung sprechen, widerlegbar.
Die Aussöhnung mit dem Vater ist möglich, auch wenn er bereits verstorben ist oder du keinen Kontakt mehr mit ihm hast.
Dein Vater war dein erstes Vorbild als Mann und ihn aus deinem Leben auszusperren schadet dir nur. Das kann eine Zeit lang funktionieren, aber du wirst immer unsicher durchs Leben gehen. An dir wird immer ein Restzweifel nagen, ob du als Mann gut genug bist und wer du überhaupt als Mann bist.
Meine eigene Aussöhnung, die schmerzhaft war und über Jahre ging, hat mich dann soweit gebracht, dass ich heute stabil im Leben stehe und weiß, wer ich bin als Mann und als Mensch.
Was bringt dir die Aussöhnung mit dem Vater?
- Du weißt, wer du als Mann bist.
- Du erlangst ein besseres Standing im Leben.
- Du weißt, wo dein Platz im Leben ist.
- Du spürst dich und hast Zugang zu deinen Gefühlen.
- Du strahlst Kraft und Sicherheit aus.
- Du weißt, warum du hier bist und erreichst deine Ziele.
- Du kannst bessere Beziehungen zu einer Frau führen.
- Du hast deinen Platz in der männlichen Ahnenreihe eingenommen.
- Du wirst ein besserer Vater für deine Kinder sein.
- Du gibst deinen Kindern den Großvater zurück.
- Du wirst inneren Frieden finden.
Um Mißverständnissen vorzubeugen, möchte ich betonen, dass der Weg der Aussöhnung mit dem Vater kein leichter ist. Es kann ein langer, schwieriger und schmerzhafter Prozess sein, der dich fordern und des öfteren an deine Grenzen bringen wird.
Es gibt keine Garantie, dass du alle die oben genannten Dinge erreichen wirst.
Aber es ist ein sehr lohnender Prozess, der dich näher an dich selbst heranbringen wird und ohne den du schwerlich Zufriedenheit im Leben erlangen wirst.
Ich wünsche dir viel Erfolg bei der Aussöhnung mit deinem Vater.
Tom Süssmann | Männer-Coach
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