Die Entwicklung des eigenen Sohnemanns, die Rollenzuweisung innerhalb der Familie. Ein schwieriges Thema, aber doch kein unergründetes. In Filmen scheint alles immer so logisch, so einfach und vor allem: Ein Happy End ist immer mit drin. Zu schade, wenn einfach gestrickte Muster, die uns in Zeitschriften, Filmen oder auch in der Werbung auf den Präsentierteller gelegt werden, der Realität so sehr entsprechen wie die Versprechen eines Politikers im Wahlkampf. Lasst uns ein paar Minuten Zeit nehmen und uns von dieser Scheinwelt ein wenig distanzieren, mal klaren Tisch machen.
Dass die Rolle des Vaters immer von großer Bedeutung war und sein wird, ist klar. Einen Vater zu haben, der einem Liebe und Aufmerksamkeit schenkt ist eines der prägendsten Ereignisse in der Kindesentwicklung. Und nein, wir sprechen hier nicht von der Liebe und Aufmerksamkeit, die sich beim Kauf der aktuellsten X-Box oder von Sneakers äußert. Auch geht es hier nicht nur um biologische Väter, sondern auch um Stiefväter, Adoptiväter – eben eine Person, die dem Kind mit Rat und Tat, einem offenen Ohr und am Ende des Tages einem Kuss auf die Stirn zur Seite steht.
Die Vaterrolle hat je nach Alter und Lebensphase unterschiedliche Anforderungen
Was viele allerdings gerne mal vergessen: Die Vaterrolle hat aber auch je nach Alter und Lebensphase unterschiedliche Anforderungen in der Beziehung zum Sohn. Allgemein gesagt, sind Jungen bis zu ihrem 6. Lebensjahr eher mutterorientiert. Natürlich kann nicht jede Familie, jeder Vater und jeder Sohn über einem Kamm geschert werden. Die Rede ist hier aber von Mustern, die sich größtenteils durch die Gesellschaft ziehen. Mütter sind es meist, die sich für mehrere Monate oder Jahre von der Arbeit beurlauben lassen oder von Beginn an als Hausfrauen tätig sind. Mütter sind es meist, die in der Kindergartenzeit den Großteil des Tages mit dem Kind verbringen. Dass die Mutter die – nennen wir es mal überspitzt – „Hauptrolle“ spielt, liegt auf der Hand.
Zwischen dem 6. und 12. Lebensjahr nimmt diese Rollenverteilung langsam eine andere Form an. Wenn es nun langsam darum geht sich in den Pausen auf dem Schulhof zu beweisen, fangen die Kleinen an ganz groß zu denken: Wie verhält ein „Mann“ sich richtig? Ein Vorbild muss her, als Orientierung bietet sich kein geringerer als der eigene Vater an. Sie scannen das Verhalten des Vaters, imitieren seine Verhaltensweisen und nehmen seine Werte und Glaubenssätze an. All das passiert von Fall zu Fall unterschiedlich: Mal langsam, mal plötzlich, aber meist unbewusst. Eine positiv wahrgenommene Vaterfigur ist in diesem Alter essentiell, da sie die Basis für die künftige Beziehung zwischen Vater und Sohn bildet.
Der 12./13. Geburtstag und alles scheint sich schlagartig zu verändern
Auf Wiedersehen Grundschule, hallo Teeniezeit. Der 12./13. Geburtstag und alles scheint sich schlagartig zu verändern: Vorbei ist die Zeit in der der Vater Held, Idol und Vorbild war. Jungen weiten ihre Flügel aus, probieren sich aus, hinterfragen – sind auf der Suche nach ihrem Ich. Das ist die ausschlaggebende Phase – hier entscheidet sich, ob ein Sohn den eigenen Vater akzeptiert und seine Männlichkeit immer noch nachahmenswert findet. Hier entscheidet sich auch, wie der Junge in seiner Entwicklung denkt und handelt. Vielleicht sogar, wie ein Mann sich verhält?
„Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“
Ein zeitloses Sprichwort, aber nicht immer akkurat. Um dieses Prinzip aufzulockern, stellen wir die Entwicklung vor zwei potentielle Pfade.
Option A: Der Apfel fällt tatsächlich nicht weit vom Stamm, Hut ab vor dem Sprichwort. Der Sohn findet die gelebte Männlichkeit seines Vaters cool, nimmt sich dieser an. Grenzen austesten, gezielte Provokationen – auch das gehört zu dieser Option. Schließlich haben wir vorhin festgestellt, dass Jungen in diesem Alter ihre Flügel finden, die ersten eigenen Schritte in der großen Welt gehören dazu. Direkt oder indirekt testen sie ihre Väter darin, inwieweit sie tatsächlich zu ihren Worten, Glaubenssystemen und Werten stehen. Test bestanden? Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass die sich entwickelnde Männlichkeit im großen Maße dem Vater ähnelt.
Option B: Der Vaters entspricht ganz und gar nicht dem Männlichkeitsbild des Sohnes. Dann rollt der Apfel aber mal sowas von weit weg vom Stamm, macht sich quasi über alle Berge. Es gibt keine richtige und falsche Männlichkeit, sehr gut gibt es aber unterschiedliche Vorstellungen von dem was Männlichkeit ausmacht. Gehen die Vorstellungen extrem auseinander, wirkt sich das auf die Beziehung zwischen Vater und Sohn aus. Zumindest in den Jahren der Pubertät. Söhne entfernen sich immer mehr von ihren Vätern, machen alles nur nicht das, was ihre Väter wollen. Im Extremfall kann diese gestörte Beziehung zu Hass, abgrundtiefem Hass führen. Oft erlebte Extremfälle. Leider!
Weihnachten, Ostern oder Geburtstage sind ein guter Anhaltspunkt. Kündigen sich eher Bauchschmerzen statt Vorfreude an, ist eines klar: In der Beziehung zwischen Vater und Sohn stimmt so einiges nicht. Wir reden hier nicht von Lustlosigkeit aufgrund eines schlechten Tages, Lieblingsverein verloren oder schlechte Note in Mathe. Sondern von einer Lustlosigkeit und Abneigung, die sich wie ein roter Faden durch den Alltag zieht.
Männlichkeit ist in der Beziehung zwischen Männern in einer Familie wichtig. Sie grenzt ab, gibt Sicherheit und Identität. Ein anderes Gefühl von Zugehörigkeit und Aufmerksamkeit erfahren Jungen bei Müttern, ein anders Gefühl bei ihren Vätern. Beide Emotionen sind von großer Bedeutung und besonders bedeutsam in ihren Kontrasten.
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