Anfang April 2017 war es soweit. Ich fuhr das erste Mal seit fast sieben Jahren wieder nach Kescheid.
Kescheid das weckte sehr positive Erinnerungen in mir. Ein wunderbarer Kraftort im nördlichen Westerwald. Dort steht mitten im Wald das Seminarhaus von Zipat.
Hier hatte ich schon dreimal ein Vater-Sohn-Wochenende mit meinem ältesten Sohn Tim verbracht. Zu diesen Wochenenden hatte ich schon in meinem Artikel 5 Lebensbereiche, die sich bei mir durch die Männer-Arbeit verbessert haben einiges geschrieben.
Nun fuhr ich also wieder hin und ich war sehr gespannt. Das Seminar Männer – Körper – Atem hatte ich schon seit einigen Jahren ins Auge gefasst. Aber immer kam irgendetwas dazwischen, der Termin hatte nicht gepasst oder ich hatte gerade keine finanziellen Ressourcen.
Diesmal war alles genau richtig.
In diesem Seminar erforschen wir die inneren Körperräume und werden durchlässig für das was uns im Inneren bewegt. Körperliche Lebendigkeit und Spontaneität sind Ausdruck eines gesunden Organismus. Im Laufe unseres Lebens haben wir die Lebendigkeit unseres Wesens durch innere und äußere Haltungen überformt. Text von der Zipat Website
Das war genau was ich wollte und was ich zu diesem Zeitpunkt brauchte.
Als überwiegender Kopfarbeiter, hatte ich das Gefühl, dass mir diese intensive Körperarbeit gut tun würde.
Im Körper sind bekanntlich viele alte Emotionen und Blockaden abgelegt und ich spürte, dass sich da etwas in mir transformieren wollte.
Wir waren insgesamt 15 Männer, von denen ich nur den Leiter Axel Schmidt kannte. Zu seiner Unterstützung hatte Axel noch zwei Assistenten dabei, die beide das Zipat-Männerprojekt durchlaufen hatten.
Axel ist ein sehr erfahrener Männer-Arbeiter der diese Arbeit schon seit über 25 Jahren macht. Ich schätze an ihm seine starke Präsenz und Souveränität und seine hohe Fachkompetenz. Dennoch ist seine Leadership nicht aufdringlich oder gar vereinnahmend, sondern sie lässt Raum für die anderen Männer.
Es herrschte sofort eine vertraute Atmosphäre zwischen uns Männern. Wir hatten beim gemeinsamen Abendessen erste Gelegenheit uns näher zu beschnuppern.
Danach fand der erste Männerkreis statt. Wir saßen im Kreis auf Sitzkissen und zwar in der Reihenfolge unseres Alters. Jeder Mann hatte Gelegenheit kurz von sich zu berichten und den anderen mitzuteilen, was er von dem Seminar erwartete und wo er am Ende Sonntagmittag stehen wollte.
Danach machten wir die ersten Körperübungen. Axel hielt uns immer wieder an diese Übungen mit leicht geöffnetem Mund und mit tiefer Mundatmung durch zu führen.
Die Kraft des Atmens
Durch diese Art der Atmung erlangt der Körper eine gewisse Durchlässigkeit und Leichtigkeit.
Ich tat mich bisher immer etwas schwer mit einer tiefen Atmung. Es war für mich oft anstrengend.
Tatsächlich atmen die meisten Menschen sehr unbewusst und mit einer Frequenz von ca. zwölf Atemzügen pro Minute. Es ist sozusagen eine Art Überlebens-Modus. Wir atmen nur so viel, dass wir überleben.
Aber der Atem, das Prana kann eine sehr starke Energie sein, die uns gut tut. Viele Atemtherapeuten sind der Meinung, dass bewusstes Atmen viele Beschwerden lindern kann.
Durch das Seminar hat sich mein Atemverhalten nachhaltig geändert. Auch wenn es vielleicht etwas dämlich aussieht mit leicht geöffnetem Mund zu atmen, so kann ich doch die positive Wirkung des tiefen und bewussten Atmens auch im Alltag spüren und so die Kraft des Atmens für mich nutzen.
Weiter geht’s
Die erste Nacht verlief ohne Zwischenfälle. Da im Seminarhaus Kescheid Einzelzimmer eher die Ausnahme sind hatte ich schon vorsorglich Oropax im Gepäck, was sich aber zum Glück als überflüssig heraus stellte.
Der Mann mit dem ich das Zimmer teilte war ein sehr angenehmer Zeitgenosse und hat überhaupt nicht geschnarcht. 🙂
Wir machten heute überwiegend leichtere Atemübungen. Dazwischen fand immer wieder ein Austausch im Kreis der Männer statt. Jeder Mann berichtete wie gerade hier ist und was die Übungen mit ihm gemacht haben.
Ich finde es immer wieder berührend, wenn Männer sich öffnen und von ihrem Innenleben berichten. Sowas ist im Alltag und im Businessleben noch nicht dir Regel. Aber hier im geschützten Rahmen zeigen sich die Männer.
Letztlich sind es immer eine Handvoll Themen die da sichtbar werden.
- Die übermächtige Mutter, von der die Ablösung sehr schwer fällt
- Die Abhängigkeit vom Weiblichen und von Frauen
- Die eigene schwache Positionierung gegenüber der Partnerin
- Das Vaterthema, d.h. der abwesende oder überpräsente Vater
- Das Gefühl nicht gut genug zu sein
Diese Themen tauchen in allen möglichen Variationen immer wieder auf. So auch hier.
Wenn ein Mann über sein gerade aktuelles Thema sprach, dann bekam er des Öfteren Feedback von den anderen Männern. Hierbei ist natürlich zu berücksichtigen, dass auch Ratschläge Schläge sein können und dass, beim Feedbackgeber möglicherweise ein eigenes Thema angetriggert wurde.
Hier zeigte sich die langjährige Erfahrung von Axel, der meistens erst mal in Ruhe zuhörte um dann sein Statement abzugeben.
Ich selbst hielt mich etwas zurück mit Feedback, weil ich ja hier nicht als Männer-Coach anwesend war, sondern als Teilnehmer. Ich war mehr auf der Beobachterposition.
Ich war allerdings positiv überrascht, welch vielschichtigen und fundierten Rückmeldungen zum Teil von den Männern kamen. Hier zeigten sich die Früchte einer längeren Beschäftigung mit dem eigenen Innenleben und dem Kontakt mit anderen Männern.
Die Wunde heilt nie!
Männer sind verletzliche Wesen und die meisten Männer sind verletzte Wesen.
Hierbei geht es nicht darum Männer zu Weicheiern oder Loosern zu machen, sondern die eigene Verletzlichkeit anzuerkennen.
Männer sind eben nicht nur die tollen Kerle, die Helden, die John-Waynes sondern haben auch eine andere Seite, die gerne unterdrückt oder verdrängt wird.
Aber wie wir ja wissen, ist alles Verdrängte weiterhin im Schatten vorhanden und hat die unangenehme Eigenschaft genau zur falschen Zeit mir Macht wieder an die Oberfläche zu kommen.
Robert Bly sagt in seinem Buch “Eisenhans” u.a. folgendes zur Wunde als Synonym für die eigene Verletzlichkeit:
„Nicht durch unsere glorreichen Siege und Erfolge sondern durch das kleine Loch der Wunde dringt das gewaltige Reich der Seele ein.“ Robert Bly
Da wir die Wunde letztlich nicht heilen und “wegmachen” können ist ein sinnvoller und erwachsener Umgang mit ihr angesagt.
Indem ich die Wunde als das was sie ist anerkenne nehme ich sie sozusagen zu mir. Dadurch verliert sie die Macht über mich.
Axel spricht in diesem Zusammenhang von Strukturen die aus frühen kindlichen Erfahrungen stammen und den damit einhergehenden Verletzungen. Diese Strukturen sind oft heute noch wirksam und sie übernehmen schnell mal die Macht über uns.
Deshalb ist ständige Achtsamkeit und Bewusstheit notwendig um zu erkennen was da gerade in mir abläuft und wer da gerade “den Bus fährt” bzw. bin ich gerade von meinen alten dysfunktionalen Strukturen bestimmt oder handle ich frei davon.
Nur außerhalb der Struktur begegnest du deiner Wahren Essenz. Axel Schmidt
Heftige Erfahrung
“Wie war es denn jetzt für dich Tom”, wird sich der eine oder andere Leser fragen.
Das ist mir Worten nur schwer erklärbar. Ich hatte bei einem der beiden Hauptprozesse eine so intensive Körpererfahrung wie noch nie in meinem Leben.
Ich hatte das Gefühl, dass mein Körper ein Eigenleben entwickelt hat und sich unabhängig von mir bewegt. Ich war zuerst etwas irritiert, habe es dann aber sehr genossen, dass ich vollständig loslassen und meinen Körper sich selbst überlassen konnte.
In meinem Inneren waren dabei ebenfalls heftige Prozesse im Gange und ich konnte etwas für mich klären und transformieren, was ich seit über 10 Jahren mit mir rumgeschleppt hatte.
Mehr möchte ich an dieser Stelle nicht dazu sagen. 🙂
Ich habe während der Prozesse aber auch sehr viel Kraft und Energie gespürt. Sehr viel Freude über die Schönheit und Wildheit des Lebens. Ich war mit meiner Wilden-Mann-Energie in Kontakt und habe mich sauwohl gefühlt.
Männer-Arbeit mal anders
Unsere intensive Körperarbeit wurde am Samstagmorgen durch eine schöne Begebenheit am Rande aufgelockert.
Am Sonntagabend sollte ein reines mehrtägiges Frauenseminar beginnen. Axel fragte uns ob wir einen Dienst für die Frauen leisten wollten. Es mussten einige Raummeter Brennholz von der einen Seite der Lichtung auf die andere Seite transportiert werden damit die Frauen ihr rituelles Feuer entfachen und ihre Schwitzhütte abhalten konnten.
Wir waren natürlich alle sofort dabei und hatten das Holz in Rekordzeit von zwanzig Minuten auf die andere Seite geschafft.
Für mich war diese Art von Männer-Arbeit eine sehr angenehme Unterbrechung und willkommene Abwechslung innerhalb des Seminars.
Was ich als spannend empfand war der überraschende Kontakt mit der weiblichen Energie.
Auf der Wiese war nämlich schon der Mittelpunkt des Kreises der Frauen aufgebaut und es war sofort für mich spürbar, dass sich hier keinen Männer versammeln würden. Ich denke ihr versteht was ich meine. 🙂
Fazit
Ich habe auf jeden Fall das bekommen, wofür ich nach Kescheid gefahren bin. 🙂
- Ich konnte mal wieder die Energie im Kreis der Männer tanken.
- Ich konnte mein Verständnis von Männer-Arbeit bestätigen und vertiefen.
- Ich habe ein besseres Verständnis für meinen Körper bekommen
- Ich konnte etwas Wichtiges transformieren.
- Mein Atemverhalten im Alltag hat sich nachhaltig verändert und ich habe dadurch einen besseren Kontakt zu meinem Körper bekommen.
Ich kann diese tiefgreifende Körperarbeit jedem Mann empfehlen und war sicherlich nicht das letzte Mal hier.
Hinterlasse jetzt einen Kommentar